Prinz Charles und Prinzessin Diana schauen sich an. „Wollen wir ihnen etwas von dem alten Zauber geben?“ Zustimmendes Nicken, dann dreht sich das Paar über die Reling einer Jacht, winkt den Fotografen zu und turtelt für die Kameras der Welt. Doch hinter den Kulissen bröckelt die familiäre Harmonie bereits erheblich, wie direkt in der ersten neuen Folge der Serie „The Crown“ bei Netflix spürbar wird. Die fünfte Staffel, die ab heute zu sehen ist, spielt in den Neunzigerjahren und widmet sich dem unrühmlichsten Kapitel im Leben des neuen britischen Königs Charles III., den Turbulenzen rund um die Trennung und die Scheidung von Diana. Nach Kritik an allzu fantasievollen Erzählsträngen stellt der Streamingdienst nun einen Hinweis zum fiktionalen Charakter der Serie voran.
Dianas inzwischen legendäres Fernsehinterview wird ebenso vorkommen wie Charles’ außereheliche Affäre mit Camilla Parker Bowles und Spannungen zwischen der Queen und ihrem Thronfolger. Unklar ist bisher, wie die Serie mit Dianas Tod bei einem Autounfall in Paris am 31. August 1997 umgeht – und auch, ob Netflix jeder Folge den Hinweis voraus- stellen wird, dass es sich hier nicht um eine Dokumentation handelt.
Nach Kritik unter anderem von Schauspielerin Judi Dench und von Ex-Premierminister John Major beschreibt Netflix die Serie nun als „inspiriert von wahren Ereignissen“. Dench hatte Netflix „plumpe Sensationsmache“ vorgeworfen, nachdem bekannt geworden war, dass die neue Staffel Szenen enthält, in denen Charles intrigiert, um seine Mutter zur Abdankung zu zwingen. Netflix sah sich zu einer Stellungnahme gezwungen. In „The Crown“ gehe es nicht um Fakten, sondern darum, „was sich hinter verschlossenen Türen abgespielt haben könnte“.
Auch mehrere Schauspieler der jüngsten Staffel verteidigten die Serie. Diana-Darstellerin Elizabeth Debicki betonte, es gebe keinen Grund zur Aufregung, jetzt, wo es den Hinweis auf den fiktionalen Charakter der Serie gebe. Sie lasse viel Raum für Interpretationen – „das ist für mich ein gutes Drama“. Jonathan Pryce, der Prinz Philip, den Ehemann der Queen, spielt, sagte: „Die große Mehrheit der Leute weiß, dass es sich um Schauspiel handelt. Sie haben die Serie schon vier Staffeln lang verfolgt.“
Kritiker werfen Drehbuchautor Peter Morgan dennoch Antimonarchismus vor. Der populäre Fernsehkritiker Christopher Stevens sagte nach dem Sichten einer achteinhalbstündigen Preview, die „schiere Boshaftigkeit“ sei unübersehbar. Die Serie habe nichts mehr mit der ersten Staffel von 2016 zu tun, schrieb er in der „Daily Mail“. Stattdessen sei „The Crown“ nun eine „unverhohlen republikanische Polemik“, in der „Peinlichkeit als wichtigste Waffe gegen die Monarchie“ eingesetzt werde.
Autor William Shawcross sieht die Serienhandlung als absichtlich verletzend, um der Monarchie Schaden zuzufügen. Viele Zuschauer hielten sie für authentisch, glaubt Shawcross: „Die meisten Leute haben keinen anderen Beurteilungsmaßstab.“ Netflix nutze die besondere Position der königlichen Familieaus. „Fast jede andere Familie der Welt könnte Beschwerde oder Klage einlegen oder einen Stopp erwirken. Die Königsfamilie hat nicht das Recht oder die Möglichkeit, das zu tun“, betont Shawcross.
Historiker Philip Murphy von der University of London hält das Problem der Royals dagegen für hausgemacht. Der Palast habe viel dafür getan, Historikern den Zugang zu den Unterlagen über die lange Regentschaft der Queen zu verwehren, schrieb er in der „Times“. „Wenn Wissenschaftler keine akkurate Geschichte der Monarchie schreiben können, wird das Feld den Bühnendichtern überlassen.“