Eine feine Parodie auf Agatha Christie

von Redaktion

„TATORT“-KRITIK Zum Jubiläum der Münchner Ermittler gibt’s einen wunderbaren Film im Film

VON RUDOLF OGIERMANN

Der Tatort ist ein englisches Herrenhaus, das Opfer ein Butler namens Arthur Rogers, und die Ermittler heißen Lightmyer und Partridge – oh my God, sind wir hier im falschen Film? Ja! Und – nein! Eine wunderbare (Weihnachts-)Überraschung haben sich Drehbuchautor Robert Löhr und Regisseur Jobst Christian Oetzmann für diesen 90. Münchner „Tatort“ ausgedacht.

Ein (Detektiv-)Spiel, dessen Figuren sozusagen lebendig werden und die Zuschauerinnen und Zuschauer mitnehmen ins Großbritannien von vor 100 Jahren. Und so verwandeln sich in „Mord unter Misteln“ die bekannten Protagonisten Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) sowie die anderen Gäste eines Krimidinners in Charaktere jener Zeit – in den Kulissen jener Zeit. Und herausgekommen ist ein Krimi, der Agatha Christie alle Ehre gemacht hätte. Plot und Personnage sind feine Parodien auf die Kunst der Altmeisterin (1890–1976), im Laufe der Ermittlungen zeigt sich, für Kenner des Genres wenig überraschend, dass jede(r) aus dieser illustren Gesellschaft ein Motiv gehabt hätte, den Butler zu ermorden.

Schon das ist erstaunlich spannend und authentisch bebildert (Kamera: Volker Tittel, Kostüme: Sylvia Risa), wozu auch der Schauplatz, Schloss Oettingen bei Nördlingen (Schwaben), beiträgt. Die Krönung dieses Films ist jedoch die Idee, die beiden Hauptkommissare immer wieder aus der (Spiel-)Handlung heraustreten und sie mit jeder Menge Selbstironie ihre Rivalität zelebrieren zu lassen. Nicht nur ihre Dialoge sind pointiert und voller Anspielungen (Batic/Nemec, der schon einmal dort mitspielte: „Sieht aus wie bei Pilcher!“ – Leitmayr/Wachtveitl: „Kenne ich nicht!“), auch die anderen dürfen mit schrägen Sentenzen glänzen, allen voran Sunnyi Melles als Lady Mona Bantam („Mein Wedgewood!“), ein blasiertes Biest wie aus dem Bilderbuch.

Alles ein riesengroßer Spaß also, allerdings mit einem – aus Sicht der Fans – alarmierenden Unterton. Denn unüberhörbar denkt Ivo Batic über den Ruhestand nach. „Ich hab’ ja nur mal nachgefragt“, sagt er ganz am Ende zur Beruhigung aller. Keine Angst, so schnell geht er wohl noch nicht in Pension.

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