Wer in Hollywood demonstrieren will, dass ein fertiger Film nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, nennt sich Alan Smithee. Offiziell wird dann meist von „künstlerischen Differenzen“ gesprochen. Hierzulande taucht dieser Fantasiename seit einigen Jahren ebenfalls gelegentlich auf; auch im ARD-Drama „Barfuß durch Australien“, das heute um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird.
Es ist kein Geheimnis, dass Yasemin Samdereli („Almanya – Willkommen in Deutschland“) Regie geführt hat. Der Verzicht auf die Namensnennung, teilt die ARD-Tochter Degeto mit, sei „aufgrund von unterschiedlichen Vorstellungen in der Postproduktion zustande gekommen“ – künstlerische Differenzen eben. Bei den meisten „Alan Smithee“-Filmen lässt sich die Entscheidung für das Pseudonym nachvollziehen, in diesem Fall jedoch nicht: Das Drama über die schwierige Beziehung zwischen einer Mutter und ihrer Teenager-Tochter ist absolut sehenswert.
Den besonderen Reiz des größtenteils im australischen „Outback“ entstandenen Films macht naturgemäß der Schauplatz aus: Die 16-jährige Kira (Amira Demirkiran) hat es sich in den Kopf gesetzt, zu einem „Walkabout“ aufzubrechen. So nennen die Nachfahren der Ureinwohner ein barfüßiges Wanderritual entlang der traditionellen „Traumpfade“; bei jungen Menschen dient dies vor allem der Identitätsbildung. Als Kira wieder mal mit ihrer Mutter Svenja (Anneke Kim Sarnau) aneinandergerät, macht sie sich kurzerhand mit ihrem Freund Jack (Tjiirdm McGuire) auf den Weg. Svenja will den beiden in die Wildnis folgen und bittet Jacks Vater um Hilfe.
Selbstredend hat das Drehbuch des erfahrenen Autors Gernot Gricksch den einen oder anderen Spannungsverstärker zu bieten, weil in der Natur allerlei „Killerkrabbelviecher“ lauern, wie Svenja feststellt. Wie alle Wanderungen dieser Art führt die Reise ins Herz des Kontinents, in Wirklichkeit jedoch ins Innere der beiden Frauen, die schließlich erkennen, dass sie dringend eine Lösung für ihren Dauerzwist finden müssen.
Über die schauspielerischen Qualitäten der großartigen Anneke Kim Sarnau muss kein Wort mehr verloren werden, die junge Amira Demirkiran ist ebenfalls eine ausgezeichnete Wahl. Für die vermeintliche Renitenz des Mädchens liefert das Buch eine plausible Begründung: Svenja optimiert Hotels auf der ganzen Welt; Kira hat ihr halbes Leben als unfreiwillige Globetrotterin verbracht und will endlich Wurzeln schlagen. „Barfuß durch Australien“ ist ein berührender und überaus sensibler Film geworden – trotz künstlerischer Differenzen.