Dilettantismus als Prinzip

von Redaktion

„TATORT“-KRITIK Der neue Fall aus Ludwigshafen ist in jeder Hinsicht unglaubwürdig

VON RUDOLF OGIERMANN

(Fernseh-)Ermittlerinnen und -Ermittler machen Fehler, kleinere und größere, in der Regel ist es der Dramaturgie geschuldet, wenn etwas „übersehen“ wurde und die Geschichte plötzlich ganz anders weitergeht. So weit, so gut. Beim „Tatort“ aus Ludwigshafen ist der Dilettantismus aber mittlerweile Prinzip, garantierter Bestandteil jedes Drehbuchs. Deshalb kann „Lenas Tante“, so auch der Titel dieser Folge, ohne Mühe einen Blick in den Laptop ihrer Nichte und auf dort eingehende Ermittlungsergebnisse werfen, im Kommissariat wird sie von den Kollegen, die sie zuvor nie gesehen haben, gerne darüber informiert, woran Lena Odenthal „gerade arbeitet“. Und dass die kurz vor Schluss ihre eigene Verwandte als Tatverdächtige vernimmt, scheint für die Macher ebenfalls kein Problem zu sein.

Die wie aus dem Nichts in der Pfalz aufgetauchte Tante, einst Staatsanwältin und Nazi-Jägerin, muss in den aktuellen Fall verstrickt sein, das gehört sozusagen zum Einmaleins des Genres. Ihre Biografie stößt Zuschauerinnen und Zuschauer mit der Nase auf das Motiv des Mordes an einem Altenheimbewohner. Drehbuchautor Stefan Dähnert nimmt sich viel vor mit der Aufarbeitung der Verbrechen des „Dritten Reichs“ via „Tatort“. Zu viel. Zu oft schon hat man im Sonntagskrimi verbohrte Senioren mit dunkler Vergangenheit gesehen, zu oft die Sprüche von „Pflichterfüllung“ gehört. Dass hier an einem Grab ein verbotenes Lied angestimmt wird und ein Nachgeborener etwas von den KZs als „der größten Lüge der Geschichte“ faseln kann, ist hart an der Grenze – in jeder Hinsicht.

Natürlich genügt das Buch der Anforderung, möglichst viele Verdächtige aufzubieten, und tatsächlich gibt es am Ende noch eine überraschende Wendung, dafür opfern Autor Dähnert und Regisseur Tom Lass jeglichen Realismus. Undenkbar, dass ein inzwischen hochbetagtes Opfer von damals (dennoch beeindruckend: Rüdiger Vogler) zwei Morde begeht und dann auch noch den Enkel eines Täters mit der Waffe in der Hand aufsucht. Aber so etwas nimmt man aus Ludwigshafen mittlerweile resigniert hin, ebenso die Konvention, dass im Zweifel ein Überwachungsvideo die Handlung voranbringen muss.

Fatal für Ulrike Folkerts, dass Dähnert und Lass die unbestreitbare Unbestechlichkeit ihrer Figur in dieser Folge opfern, sie die Kollegin ohne Not täuschen lassen. Gut für Lisa Bitter als Johanna Stern, die neben Gast Ursula Werner in diesem ansonsten mittelmäßigen Krimi einmal so richtig glänzen kann.

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