Seine Zusage bei der Digitalkonferenz „re:publica“ im vergangenen Jahr sorgte für Aufsehen. Stolz verkündeten die Veranstalter, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz die Ehre auf dem Podium geben würde, um über „Digitalpolitik in der Zeitenwende“ zu sprechen. Ein kritisches Thema, aufbereitet von Moderatorin Linda Zervakis. Dass die ehemalige „Tagesschau“-Sprecherin nicht vom Veranstalter, sondern laut der Berliner Zeitung „taz“ vom Kanzleramt engagiert wurde, lässt alle Beteiligten schlecht aussehen.
Es soll eine Forderung des Kanzlers gewesen sein, zu bestimmen, wer ihn auf dem Podium befragt. Seine Wahl fiel auf Zervakis, die ihn für ihren neuen Arbeitgeber ProSieben bereits 2021 zu Interviews im Studio traf. Anhand von internen Unterlagen aus dem Kanzleramt, die von der „taz“ mit Berufung aufs Informationsfreiheitsgesetz angefordert wurden, lässt sich der Deal zweifelsfrei belegen.
Keine gute Idee, wenn man bedenkt, dass Zervakis auf der Digitalkonferenz als unabhängige Journalistin auftrat. Auch die Tatsache, dass das Gespräch im Nachgang von vielen Medien als „inhaltsleer“ („Wirtschaftswoche“) und „unkritisch“ („Spiegel“) bewertet wurde, bekommt vor dem Hintergrund dieser Abmachung einen schlechten Beigeschmack. Wurde Scholz von Linda Zervakis geschont, weil er sie selbst engagiert hat? Und hätte man nicht zumindest den persönlichen Wunsch des Kanzlers mit Hinweis auf diesen Deal den Teilnehmenden der „re:publica“ offen erklären müssen?
Darüber schweigen sich bisher alle Beteiligten aus. Die Nachfrage der „taz“ bei Linda Zervakis, wie viel Geld vom Kanzleramt für diesen Auftritt geflossen sei, ließ die Moderatorin von ihrem Manager beantworten. Das Gespräch auf der Digitalkonferenz sei ohne Honorar geführt worden. „Das Bundeskanzleramt hat Frau Zervakis lediglich die im Zusammenhang mit der Teilnahme entstehenden Kosten erstattet.“ Über die Höhe gibt er keine Auskunft.
Auch bei Pro Sieben sieht man die Tatsache, dass die Moderatorin in Zukunft gegenüber dem Kanzler befangen sein könnte, entspannt. „Ein solches Interview ist mit unseren journalistischen Werten sehr gut zu vereinbaren“, so ein Sprecher des Senders gegenüber der „taz“. Warum aber Olaf Scholz in seine rhetorischen Fähigkeiten so wenig Vertrauen hat, dass er sich seine Gesprächspartner selbst engagieren muss, bleibt offen. ASTRID KISTNER