Rentnercops in Bestform

von Redaktion

„TATORT“-KRITIK Wiener Ermittler-Duo überzeugt in gesellschaftskritischem Jubiläumsfall

VON ASTRID KISTNER

„Was ist das für eine Welt?“ Das fragen sich Bibi und Moritz mehr als einmal im gleichnamigen „Tatort“ aus Wien. Die Kommissare sind in ihrem Jubiläumsfall (dem 30., wir berichteten) von undurchschaubarem Personal umringt. Ehrgeizige Millennials, in deren Gegenwart sich die Ermittler wie Rentnercops ausnehmen, denen doch nichts anderes übrig bleibt, als den Fall nach ihren Methoden zu lösen.

Seltsam ist das schon. Da wird ein junger Mann im Treppenhaus niedergemetzelt, den eigentlich alle zu mögen scheinen. Wo andere Drehbuchautoren potenzielle Verdächtige im Minutentakt aufmarschieren lassen, herrscht bei Thomas Weingartner und Stefan Hafner scheinbar Friede, Freude, Eierkuchen. Die demente Mutter des Opfers: verwirrt, aber voller Liebe, die Kollegen: trauern mit Respekt, die Immer-mal-wieder-Freundin: untröstlich. Warum also musste der blitzsaubere, produktive und durchoptimierte IT-Spezialist, der Rauschmittel nur in homöopathischen Dosen zur Leistungssteigerung konsumierte, sterben?

Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) sind ratlos und teilen „erst amoi a Tschick“ und ihre Drogenerfahrungen auf dem Dach des Wiener Kommissariats. Das Austro-Duo in Bestform: Woast as no – damals? A gscheiter Rausch, net reinpassen wolln, aufmucken, Grenzen überschreiten. Und heute? Was ist das für eine Welt?

Regisseurin Evi Romen lässt die Generationen geschickt aufeinanderprallen. Bindeglied ist die junge Beamtenkollegin Meret Schande (Christina Scherrer), deren psychologische Befragung den Fall wunderbar einrahmt. Auch sonst lässt sich Romen einiges einfallen, um dieses Jubiläum aus einer neuen Perspektive zu erzählen: Immer wieder richten die Kommissare ihre Ansprache direkt in die Kamera. Auge in Auge mit Bibi und Moritz wächst die Sympathie für dieses Gespann, das mit dem Generationenwechsel so seine Probleme hat und das eigene Älterwerden charmant reflektiert. Ein liebevoll inszenierter Krimi, der Raum für Gesellschaftskritik lässt.

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