Plötzlich, mitten im Gespräch, tritt Alice Mascia einen Schritt nach hinten. Die energische Powerfrau holt Schwung, dreht eine Pirouette, macht eine weitere Tanzbewegung – und sagt: „Wenn man nicht so viel beachtet wird, kann man alles ausprobieren. Manches klappt, anderes nicht. Aber bei allem lernt man.“ Genauso hält es die 49-Jährige Geschäftsführerin des Streamingdienstes DAZN in der DACH-Region, mit ihrem neuen Projekt – seit gestern läuft unter dem Namen „DAZN Rise“ der erste reine Frauensportsender. Frei empfangbar, 24/7, wie man heute sagt. Er ist gekommen, um zu bleiben.
„Das ist ein unfassbarer Moment, ein historischer Tag, den wir mit allen teilen wollen“, sagte die Italienerin gestern. Und als sie diese Worte ins Auditorium des ersten „DAZN Women’s Sport Summit“ rief – der Blick ging aus der Eventbox direkt auf den Rasen der Allianz Arena –, meinte sie wirklich: alle! Auf dem Podium nahmen Vertreter diverser Branchen Platz, das Thema Frauensport wurde umfassend beleuchtet. Von Aktiven wie Verantwortlichen in Vereinen und Verbänden, aus Unternehmer- und Sponsorensicht, aus dem Blickwinkel der Medien und weit darüber hinaus. Den Satz, der an diesem Tag am häufigsten fiel, sprach Judith Gerlach gleich in ihrer Einleitung. Die bayerische Staatsministerin für Digitales sagte: „Sichtbarkeit ist das A und O.“ Gewissermaßen befindet man sich da seit gestern also in einer neuen Zeitrechnung.
Der Frauensport startet freilich nicht bei null, Doris Fitschen erinnerte sich noch an ihre Anfänge und Zeiten, in denen es von den Tribünen gerne „Trikottausch“ schallte. Die Gesamtkoordinatorin Frauen im DFB weiß aber trotzdem, dass „noch viele dicke Bretter zu bohren sind“. Der Fußball soll DAZN Rise nicht alleine dominieren – unter anderem werden neben der Women’s Champions League, der Bundesliga und der spanischen und französischen Liga auch Spitzenhandball, Feldhockey, Basketball und die LPGA-Tour im Golf gezeigt. Trotzdem gilt er als gutes Beispiel, um den Status des Frauensports – und sein Potenzial – zu verdeutlichen. „Gesellschaftlich befinden wir uns in einem guten Moment“, sagte Bianca Rech, sportliche Leiterin der FC-Bayern-Frauen. Gestützt wird diese These nicht zuletzt durch die knapp 18 Millionen Zuschauer, die das EM-Finale der deutschen Frauen (1:2 nach Verlängerung gegen England) im vergangenen Jahr verfolgten – Jahresquotenrekord.
Dass das Interesse da ist, merken auch die Athletinnen. „Der Respekt ist uns gegenüber enorm gestiegen“, sagte Nationaltorhüterin Almuth Schult. Allein die Tatsache, dass man ernster genommen wird als noch vor einigen Jahren, soll allerdings nicht zum Verlust der Nahbarkeit führen, die im Frauensport als so herrlich sympathisch wahrgenommen wird. „Wir sollten nicht alles vom Männerfußball übernehmen“, führte die 32-Jährige aus. Man will sein eigenes Ding machen, mit eigenen Ideen, Formaten – und Vorbildern.
Der Weg des frei empfangbaren sogenannten „FAST-Sender“ ist ganz bewusst gewählt. Und dass die Umsetzung innerhalb weniger Wochen gelang, spricht Bände. Der Frauensport kann so viel mehr, als in seinem bisherigen Anteil von gerade mal zwölf Prozent der Sportberichterstattung im Fernsehen zu sehen ist. DAZN Rise will die breite Palette zeigen, auch Features und Dokumentationen sind geplant. Sichtbar sein, das ist der Plan, beim „nächsten großen Ding“, wie Mascia es nennt. Und sie sagt auch: „Wir haben kein Drehbuch!“ Ein Nachteil soll das nicht sein, im Gegenteil. Mit den richtigen Pirouetten zur richtigen Zeit können die Frauen viel Power haben – und auch Männer etwas lernen.