Sie ist eine Ikone des deutschen Fernsehens: Keine Figur steht so exemplarisch für die ARD-Kultserie „Lindenstraße“ wie die der Mutter Beimer – 35 Jahre lang gespielt von Marie-Luise Marjan. Nach dem Aus der Reihe 2020 begann für die 82-jährige Schauspielerin ein neuer Lebensabschnitt: mit wenig Rollenangeboten, mehr Lesungen und einem Umzug. Am kommenden Sonntag ist Marjan erstmals wieder in einer ZDF-Romanze auf dem Bildschirm zu sehen.
Im neuen „Inga Lindström“-Film spielen Sie Ihre erste Fernsehrolle seit dem Aus der „Lindenstraße“. Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?
Ich war mit Lesungen quer in der ganzen Bundesrepublik unterwegs. Mit Programmen wie zum Beispiel „Mord mit Muttern“, ein Abend mit sehr lustigen Geschichten von Ralf Kramp, dem König der Kurzkrimis. Da hatte ich gar keine Zeit, irgendetwas zu drehen.
Außerdem sind Sie auch noch umgezogen…
Ja, meine Wohnung in Köln wurde mir wegen Eigenbedarfs gekündigt. Ich musste mir etwas Neues suchen. Sie wissen ja, wie schwierig und anstrengend das heutzutage ist. Aber ich habe Gott sei Dank eine Wohnung gefunden, im Rheinland, Parterre, meinem Alter entsprechend, da kann ich bequem rein und raus gehen. Als dann das Angebot für „Inga Lindström“ kam, sagte ich: Ja, das mach ich! Das Lockmittel, in Schweden drehen zu dürfen und wieder in einem Ensemble zu sein, war einfach unwiderstehlich.
Der Film heißt: „Hanna und das gute Leben“. Was gehört für Sie zu einem guten Leben?
Dass man seine Mitte findet. Dass man mit sich zufrieden ist, Wertschätzung für alle Dinge hat, die einen umgeben. Ich bin ja zum Beispiel gar kein Wegwerftyp. Es gibt Leute, die kaufen sich was, und bald heißt es schon wieder: weg damit. Das kann ich gar nicht. Im Krieg geboren, wussten wir alles zu schätzen. Ein Spaziergang im Grünen – da geht mir das Herz auf. Was für mich auch wichtig ist: Es gibt einen bestimmten Platz in meiner Wohnung, da muss immer ein frischer Blumenstrauß stehen. Und wenn mir keiner geschenkt wird, kaufe ich mir die Blumen selbst.
Im Film sind Sie eine pensionierte Lehrerin, die den anderen als Ratgeberin zur Seite steht. Sind Sie eine gute Ratgeberin?
Ja, das steckt schon drin in mir. Zum Beispiel habe ich immer mit unseren jungen Leuten von der „Lindenstraße“ gearbeitet, und bei „Inga Lindström“ hat es sich auch so ergeben, dass wir gemeinsam Texte geübt oder über Themen gesprochen haben, die den Leuten auf dem Herzen lagen.
Jahrelang waren Sie als Helga Beimer die Mutter der Nation, nun spielen Sie wieder eine mütterliche Rolle. Ist es Ihnen nicht wichtig, auch mal was ganz anderes zu spielen?
Das Publikum will mich gar nicht anders sehen, sie mögen das. Außerdem kann man nicht gegen seinen Körper anspielen. Ich habe einen runden Körper, eine mütterliche Ausstrahlung, warum soll ich das verleugnen? Das ist doch schön in meinem Alter, und mit 82 kann ich doch auch froh sein, wenn ich noch nicht als Ur-Oma besetzt werde.
Denken Sie manchmal daran, in den Ruhestand zu gehen?
Das reizt mich nicht. Dieser Beruf ist eine Berufung, das macht man bis man umfällt – sofern ich geistig und körperlich noch in der Lage dazu bin. Mein Arzt hat immer zu mir gesagt: „Mach alles, was dir Freude macht.“ Tja, und das Spielen macht mir eben Freude, meine Lesungen, mich sozial zu engagieren, unter anderem bei Unicef, mich mit Freunden treffen. Solange man neugierig bleibt, kann man 100 Jahre alt werden.
Vermissen Sie die Rolle und die Serie?
Ich sage immer: Keine Zukunft ohne Vergangenheit. Man muss das, was man gemacht hat, wertschätzen und bewahren, so entstehen ja Legenden. Aber mir ist auch klar, dass jedes Ding seine Zeit hat, auch beim Fernsehen oder im Film. Die „Lindenstraße“ ist abgeschlossen, und ich finde, es war ein guter Abschluss – aber sie ist nicht vergessen. Wir müssen unser Abschlussfest noch nachholen. 600 Leute waren am letzten Tag eingeladen, das ganze künstlerische und technische Team sowie alle Fahrer und Köchinnen. Alle, die jemals mitgemacht haben, damit wir alle gemeinsam die letzte Folge schauen. Und dann hat es wegen Corona nicht stattfinden können. Wenn es jetzt noch klappt, wäre es ja ein Wiedersehensfest.
Das Gespräch führte Cornelia Wystrichowski.