Von Heinz Erhardts Wirtschaftswunder-Witzen über Didi Hallervordens Blödeleien bis zur feministischen Comedy von Carolin Kebekus: Die Geschichte des deutschen Fernsehhumors ist ein gnadenlos genaues Sittenbild der Gesellschaft. In der Dokumentation „Loriot, Otto und Co. – 60 Jahre TV-Comedy“ lässt das ZDF heute um 20.15 Uhr sechs Jahrzehnte Bildschirmspaß Revue passieren und zeigt: Jede Epoche lacht über andere Dinge und hat den Fernsehhumor, den sie verdient – seien es Loriots feingeistige Scherze, Mario Barths Schenkelklopfer-Gags oder die schambefreite Komik einer Hazel Brugger.
Der Film mit Ausschnitten aus vielen Comedysendungen lässt zahlreiche Humoristen zu Wort kommen, darunter Oliver Welke, Ilka Bessin, Hugo Egon Balder, Abdelkarim und Hazel Brugger. Außerdem erklären Forscher, wie sich der Humor im Lauf der Zeit gewandelt hat und was einen Klassiker ausmacht: Er ist eben nicht zeitlos, sondern trifft den Nerv seiner Zeit am deutlichsten.
Ein besonderes Kapitel ist deshalb dem großen Loriot gewidmet, dessen erste Fernsehserie „Cartoon“ 1967 startete und zur Bühne für ulkige Ehepaare, zerstreute Professoren, geschwätzige Politiker und drollige Hunde wurde. „Er hat uns den Spiegel vorgehalten“, meint Entertainer Thomas Hermanns: „Besonders der Nachkriegsgeneration im Wirtschaftswunder und in ihrem Vereinswesen.“
1973 nahm dann die erste deutsche Sitcom, „Ein Herz und eine Seele“, den Alltag einer westdeutschen Spießerfamilie auf die Schippe. In den wilden Siebzigern hieß es aber auch: Bühne frei fürs Blödeln. Dieter Hallervorden eroberte mit „Nonstop Nonsens“ und Gags wie „Ich hätte gern ne Flasche Pommes“ das Publikum, und auch der „ostfriesische Götterbote“ Otto wurde in dieser Ära zum Star.
Der Start des Privatfernsehens führte schließlich zum Comedyboom der Neunzigerjahre, der Spaßmacher wie Michael „Bully“ Herbig oder Anke Engelke berühmt machte. Heute darf Comedy gerne mal politisch sein. In Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“ etwa verschwimmt die Grenze zwischen Journalismus und Comedy, Künstler wie Abdelkarim ziehen das Thema Migration durch den Kakao und spießen kulturelle Vorurteile auf. Selbst Witze über Terrorangst sind kein Tabu mehr: „Die Krisen, die wir haben, in einer lustigen Perspektive zu betrachten, verschafft uns immer Luft zum Atmen“, so die Humorforscherin Eva Ullmann in der ZDF-Doku.
Im Film geht es auch um die Frage, wie sich Frauen im Spaßgeschäft durchgesetzt haben und mit welchen Schwierigkeiten sie dabei zu kämpfen hatten: Von Helga Hahnemann, die einst in der DDR die Menschen zum Lachen brachte, über Ingrid Steeger, die nach der frivolen Sketchshow „Klimbim“ in den Siebzigerjahren nie mehr aus der Schublade als sexy Ulknudel herauskam, bis zu feministischen Comediennes wie Maren Kroymann oder Tahnee.
Anlass für den nostalgischen ZDF-Rückblick auf Fernsehhumor im Wandel der Zeit ist die Gründung des Mainzer Senders am 1. April 1963. Eine Sendung gibt es übrigens, die seit damals, unabhängig von allen historischen Umbrüchen, fast unverändert im deutschen Fernsehen gesendet wird: der Sketch „Dinner for one“, der jedes Silvester in den ARD-Sendern rauf- und runterläuft.