Trügerische Idylle

von Redaktion

Der Film „Wolfswinkel“ erzählt von einem Dorf, das nach rechts abdriftet

VON KIRA TASZMAN

Das Revier von Dorfpolizistin Melanie (Annett Sawallisch) liegt idyllisch zwischen Wäldern, Feldern und Seen im flachen brandenburgischen Land. Mit ihrem Kollegen Heiko (Robert Höller) fährt sie Streife. Bei Verschmutzungen von öffentlichen Plätzen legen die beiden selbst Hand an und haben es ansonsten meist mit Fahrradteil-Diebstählen zu tun. Auch die Bewohnerschaft von Wolfswinkel, so der Name des Ortes, ist übersichtlich und besteht aus Einheimischen und ein paar Zugezogenen. Der joviale, aber konfliktscheue Bürgermeister Elvis (Jörg Schüttauf) kümmert sich vor allem um seine Baufirma, gratuliert der Dorfältesten Martha (Carmen-Maja Antoni) salbungsvoll zum Geburtstag und hofft ansonsten, dass der Frieden in seinem Örtchen noch lange währen möge.

Damit ist jedoch Schluss, als Lydia (Claudia Eisinger) in Wolfswinkel Einzug hält. Sie stammt von dort, ist einst aber nach Berlin gezogen, um Schauspielerin zu werden. Nun kehrt sie ins Haus ihrer verstorbenen Tante zurück, das sie geerbt hat.

Früher waren Melanie, die heutige Dorfschullehrerin Anja (Alina Levshin) und Lydia beste Freundinnen. Zunächst werden Erinnerungen an alte Zeiten beschworen, und Melanie freut sich über die Rückkehr der früheren Busenfreundin. Doch bald verbreitet diese in ihrem Videoblog rechte Parolen unter dem Motto „Hol’ dir deine Heimat zurück“. Sie errichtet ein Denkmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, verharmlost das Verschwinden einer gepflasterten Straße im Wald, die einst von KZ-Häftlingen aus Sachsenhausen errichtet wurde und nun vom Bürgermeister zu einer Asphaltstraße umgebaut werden soll.

Bald entsteht auch eine Art rechte Bürgerwehr. Das von Anja errichtete Gedenkschild für die Zwangsarbeiter wird geschändet, und Rechte und Linke geraten immer mehr aneinander. Die Einzige, die versucht, sich politisch aus allem herauszuhalten, ist Melanie. Doch als sich die Lage zuspitzt und Anja ins Visier der Rechten gerät, muss sie Farbe bekennen.

„Wolfswinkel“ beschreibt eine allmähliche Eskalation. Sie kommt allerdings nicht aus dem Nichts, sondern hat nur auf einen Katalysator gewartet. Der präsentiert sich in Gestalt von Lydia, in der die Menschen eine Anführerin sehen. Sie lassen sich aber auch deshalb auf Lydias rechte Parolen ein, weil das Gedankengut im Ort bereits vorhanden war. Das macht der Fernsehfilm von Regisseurin Ruth Olshan sehr deutlich. Die Bewohner, allen voran Bürgermeister Elvis, haben keinerlei Geschichtsbewusstsein. Sie setzen auf ihre Geschäfte und hinterfragen die einfachen Lösungen Lydias nicht.

Nicht alles wird in „Wolfswinkel“ konsequent erzählt; einige narrative Stränge gehen verloren, und eine gewisse Konfliktscheue ist dem Film ebenfalls anzumerken, wirklich brisant wird es nie. Unterm Strich beschwichtigt diese Mischung aus Dramödie und Sozialstudie allerdings nicht, sondern macht klar, dass die politisch angespannte Lage in dem fiktiven Dorf sich nicht von heute auf morgen beheben lässt.

„Wolfswinkel“

heute, 20.15 Uhr, ARD.

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