„Ich gehe spielend durchs Leben“

von Redaktion

INTERVIEW Corinna Harfouch über weit mehr als ihre neue Hauptrolle im Berliner „Tatort“

Berlin hat eine neue „Tatort“-Kommissarin. Schauspielstar Corinna Harfouch feiert an der Seite von Kollege Mark Waschke mit dem Zweiteiler „Nichts als die Wahrheit“ ihren Einstand in der ARD-Krimireihe. Im gleichnamigen Fall, der am Ostersonntag und Ostermontag jeweils um 20.15 Uhr zu sehen ist, kehrt sie als angesehene Dozentin der Polizeiakademie in den aktiven Kriminaldienst zurück.

Wie oft hat man Ihnen schon die Rolle der Fernsehkommissarin angeboten?

Wie oft weiß ich gar nicht mehr, aber einige Male.

Auch den „Tatort“?

Ja, aber früher dachte ich immer: Nee, will ich nicht machen, weil man dann sehr gebunden ist und festgelegt wird. Aber die Gefahr besteht ja jetzt nicht mehr. Ich habe so viele verschiedene Sachen gespielt, dass ich davor keine Angst mehr habe.

Sie spielen Susanne Bonard, eine Koryphäe der Polizeiakademie, die auf Kommissar Karow eine geradezu besänftigende Wirkung hat. Mark Waschke und Sie – war das Liebe auf den ersten Blick?

Ja! Das muss ich sagen. Ich kannte Mark nur entfernt aus dem Theater und habe mir, nachdem man mir die Rolle angeboten hat, einige Berliner „Tatorte“ mit ihm angeschaut. Es ist eine große Freude, mit ihm zu arbeiten. Er ist sehr kollegial, inspirierend, frei und lustig.

Im Krimi kündigen Sie an, „nur für diesen einen Fall“ in den Polizeidienst zurückzukehren, Ihr Film-Ehemann drängt auf mehr gemeinsame Zeit – das hört sich nach einem vorübergehenden Gastspiel im „Tatort“ an…

…und liegt ja auf der Hand. Ich kann nicht bis 80 Tatort-Kommissarin sein. Man wird ja auch im echten Leben mit Mitte 60 in Pension geschickt.

Zum Auftakt geht’s aber erst mal um rechte Netzwerke und Racial Profiling – wie sehr beschäftigt Sie dieses Thema privat?

Es treibt mich sehr um und ich bin froh, dass es vom „Tatort“ aufgegriffen wurde. Weil es ein Thema ist, dass uns Sorgen bereiten sollte. Wir haben in unserer Gesellschaft eine Entwicklung, in der sich die Fronten immer mehr verhärten. Wenn ich an Silvester in Berlin denke, wo die Feuerwehr beim Löschen angegriffen wurde, frage ich mich schon, wo das hinführt. Der Respekt voreinander geht immer mehr verloren. Polizisten beginnen zu resignieren, sich zu wehren und schlimmstenfalls selbst gewalttätig zu werden. Aber es gibt ja auch andere Bereiche, bei denen ich manchmal das Gefühl eines Systemzusammenbruchs habe.

Zum Beispiel?

Ich fahre viel mit der Deutschen Bahn und habe wegen meines 99-jährigen Vaters oft mit dem Gesundheitswesen zu tun. Ich komme wirklich selten pünktlich von A nach B und kämpfe regelmäßig mit einem Gesundheitswesen, das bürokratisch so aufgeblasen ist, dass man wahnsinnig werden kann. Wo soll das hinführen?

Guter Stoff für den nächsten Thriller. Sind Sie denn privat ein Krimifan?

Eigentlich gar nicht. Mich irritiert jegliches Genre – ob in der Literatur oder im Film. Weil jedes Genre seine eigenen Gesetze hat und dabei oft die Dinge weglässt, die mich eigentlich interessieren und die ich für erzählenswert halte.

Sie haben mal gesagt, dass Sie eigentlich immer spielen – auf der Bühne, vor der Kamera und auch im Alltag. Können Sie das erklären?

Spielen ist für mich etwas ganz Heiliges. Viele Leute verwechseln das ja mit lügen. Aber ich kann es vielleicht so erklären: Ich hab mal in Brandenburg ein renovierungsbedürftiges Haus gekauft und hatte wirklich keine Ahnung von gar nichts. Dann habe ich einfach angefangen zu spielen, dass ich dieses Haus umbaue – und seltsamerweise war es irgendwann tatsächlich fertig. (Lacht.) Da ist trotzdem keine Distanz zwischen dem, was ich tue, so wie ich in meinen Rollen auch keine Distanz zu den Figuren habe. Insofern hilft mir das Spielen im Alltag, verschiedene Aufgaben zu bewältigen. Manchmal reichen mir schon ein paar Gummistiefel, um mich wie eine Bäuerin zu fühlen. Glauben Sie mir: So machen sich die Dinge sehr viel leichter. (Lacht.)

Das Gespräch führte

Astrid Kistner.

Artikel 3 von 3