Strahlender Abschied

von Redaktion

Die ARD-„Tagesthemen“ melden sich heute Abend vom Kernkraftwerk Isar – einen Tag vor der Abschaltung

VON RUDOLF OGIERMANN

Vor knapp viereinhalb Jahren, exakt am 20. Dezember 2018, wollte es Ingo Zamperoni auch schon einmal ganz genau wissen. Für die ARD-„Tagesthemen“ berichtete er live aus der Zeche Prosper Daniel im nordrhein-westfälischen Bottrop vom Ende der Steinkohleförderung in Deutschland. Nun gibt es wieder so ein Datum, an dem ein über Jahrzehnte genutzter Energieträger vor dem Aus steht. Heute ab 22.15 Uhr wird die Nachrichtensendung daher nicht aus Hamburg, sondern vom letzten in Betrieb befindlichen bayerischen Kernkraftwerk Isar in Essenbach bei Landshut (Niederbayern) gesendet – einen Tag vor der voraussichtlich endgültigen Abschaltung von Block 2. In der von einer halben auf eine Dreiviertelstunde verlängerten Ausgabe sind neben mehreren Einspielfilmen auch Interviews mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und mit der Co-Vorsitzenden der Grünen, Ricarda Lang, geplant.

Das sei „kein Allerweltsdreh gewesen“, bilanzierte Zamperoni am Mittwochabend bei einer Pressekonferenz in Landshut über die Vorbereitungen zu dem Projekt, das der Norddeutsche Rundfunk (NDR) gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk (BR) auf die Beine gestellt hat. Er habe die „unfassbare Power gespürt, die da von Menschen mittels Technik gezähmt wird“, so der 48-Jährige: „Das macht schon etwas mit einem, auch wenn die Beschäftigten dort alle ganz entspannt herumlaufen.“ Die Sicherheitsvorkehrungen hätten ihn andererseits sehr beeindruckt, so Zamperoni, der wie alle, die den Reaktorblock betreten, spezielle Kleidung tragen und jedes Mal mehrere Sicherheitsschleusen passieren musste.

Man habe Wert darauf gelegt, nicht nur mit den Chefs und den Sprechern zu reden, sondern „mit den Menschen, die hier arbeiten und die sozusagen Teil dieser Maschinerie sind“, ergänzte BR-Reporter Philip Kuntschner: „Ihnen wollten wir die größtmögliche Bühne bieten.“ Sich aus der Nähe das anzuschauen, was gerade noch funktioniert, und das, was nun komplett zerlegt wird (der stillgelegte Block 1, Red.), sei sehr aufschlussreich gewesen, so Kuntschner, der zugleich klarstellte: „Die Bilder, die wir haben wollten, haben wir bekommen.“ Und zwar nicht nur solche vom Inneren der Anlage. Auch Bürger der Gemeinde Essenbach wurden befragt. Das Argument, dass das Kernkraftwerk der Region über Generationen Wohlstand gebracht habe, sei dabei immer wieder genannt worden, hat der Reporter festgestellt. Die „Wolkenmaschine“ sei Teil des Alltags geworden.

Sind die „Tagesthemen“-Macher durch ihren Besuch im letzten Moment ebenfalls zu Fans geworden? „Keine Seite redet kompletten Schmarrn“, formulierte es Zamperoni. Er fühle sich an die Diskussion um die Steinkohle erinnert, auch da sei von den Beschäftigten gefragt worden, wie sinnvoll es sei, „hier dichtzumachen und die Kohle anschließend aus anderen Ländern zu importieren“. Auch bei der Kernenergie herrsche eine „frappierende Diskrepanz“ zwischen dem deutschen Ausstieg und den Plänen vieler Länder, neue Reaktoren zu bauen. Allerdings „waren wir auch im Zwischenlager, wo die Castoren stehen“, so der „Tagesthemen“-Anchorman weiter. „Die Frage der Endlagerung ist ein Riesenproblem, das wir in Deutschland vor uns herschieben.“ Vor der nächsten Jahrhundertwende werde es da wohl „keine Lösung geben“. Die Kraftwerksbetreiber argumentierten dann immer, dass das nicht ihr Job sei, sondern der der Politik. Ihr Job sei es, Strom zu produzieren.

Viel Diskussionsstoff – und genau dafür wollen die Nachrichtenmacher aus Hamburg und München mit dieser besonderen Sendung in einer besonderen Umgebung sorgen. „Echt super, was der BR hier möglich macht“, lobte Ingo Zamperoni den Partnersender. Nur einen Unterschied gebe es zu seinem Trip nach Nordrhein-Westfalen im Jahr 2018: „Damals konnte ich mir ein Stück Steinkohle als Souvenir mitnehmen, an ein Stück Brennstab kam ich dieses Mal nicht heran. Aber das wäre wohl auch nicht gesund gewesen.“

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