Er liebt Milch und hat das Herz am rechten Fleck: „Tatort“-Kommissar Thorsten Falke, gespielt von Wotan Wilke Möhring. Seit zehn Jahren verkörpert der Schauspieler den Hamburger Bundespolizisten, der mit seiner Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) an wechselnden Orten in Norddeutschland in politisch brisanten Fällen ermittelt. In der gestrigen, unbedingt sehenswerten Jubi-läumsfolge enttarnten die beiden ein Schleusernetzwerk in Hannover. Vor allem aber machten sie diejenigen sichtbar, die sich nach ihrer Flucht aus der Heimat ohne Ausweispapiere täglich aufs Neue dem Kampf ums Überleben stellen. Ein Krimi, der unter die Haut ging und für Wotan Wilke Möhring eine große Relevanz hat. Als Kommissar Thorsten Falke löste der 55-Jährige am 28. April 2013 seinen ersten Fall. Im Interview mit unserer Zeitung zieht er Bilanz.
Seit zehn Jahren spielen Sie den norddeutschen „Tatort“-Kommissar Thorsten Falke. Hatten Sie von Anfang an geplant, so lange dabeizubleiben?
Ich hatte mich da zeitlich gar nicht festgelegt. Der Plan war, es so lange zu machen, wie es Spaß macht.
Und – macht es Ihnen noch Spaß?
Absolut, ja. Mir gefällt, dass es die erste und einzige Figur ist, die mit mir wächst. Alles, was mir biografisch widerfährt, kann ich einbringen. Thorsten Falke ist im Fernsehen zehn Jahre älter geworden, mit mir zusammen, und da verändert man sich. Man wird geduldiger, die Weisheit nimmt hoffentlich zu, die Prioritäten werden klarer. Ich versuche im „Tatort“ auch, Themen anzusprechen, die Relevanz haben, und da gibt es ja immer wieder neue Stoffe.
Welches Mitspracherecht haben Sie bei den Drehbüchern?
Vor allem wenn es um die Figur geht, kann ich mitsprechen: Was würde Falke tun, was würde er nicht tun? Bei manchen Veränderungen sage ich stopp. Er ist eine alte Seele, und das soll auch so bleiben. Er hat mittlerweile schon ein neues Auto, das sind Abstriche genug. (Lacht.) Es gab mal eine Situation, da sollte er die Lederjacke abgeben, das macht er natürlich nicht! Und dann kämpfe ich immer für den kleinen Auftritt der Milch. Das Milchtrinken gehört einfach zu Falke dazu.
Sind Sie im echten Leben auch Milchtrinker?
Ja, bin ich. Lustigerweise habe ich mir ja für Thorsten Falke den Drink „Billstedter Milch“ ausgedacht, ein Mixgetränk aus Milch und Korn. Das kann man in Hamburger Kneipen sogar bestellen, und das schmeckt wirklich gut!
Gibt es Nachteile, so lange beim „Tatort“ zu sein?
Nein, aber manchmal beneide ich die Bösewichte um ihre Gesetzlosigkeit, was für eine Filmfigur ja auch Freiheit bedeutet. Die Antagonisten dürfen machen, was sie wollen, der Polizist ist dagegen an Gesetze gebunden. Aber dafür treten die nur in einer Folge auf und werden am Ende festgenommen oder sind tot.
Lassen sich gesellschaftlich relevante Themen im Krimi besonders gut transportieren?
Absolut. Wenn ich im Krimi ein Einzelschicksal verfolge, kann ich viel mehr Verständnis für Situationen entwickeln, als wenn ich eine Statistik über Flüchtlinge im Mittelmeer lese. So ist es auch in der Jubiläumsfolge über sogenannte Illegale, also die vielen Menschen, die ohne gültige Papiere in Deutschland leben, aber hier als Arbeitskräfte den Motor am Laufen halten. Das weiß man gemeinhin gar nicht, und ich finde es interessant, darauf hinzuweisen.
Würden Sie sich für Thorsten Falke mehr Humor wünschen, oder passt das nicht zu den oft düsteren Fällen?
Thorsten Falke trägt das Herz auf der Zunge, er kommt aus dem Kiez, aus dem Arbeitermilieu. Mir ist es durchaus wichtig, dass wir seinem trockenen norddeutschen Humor Genüge tun, der muss aber in der Situation entstehen, und die muss adäquat sein. Es gibt ja auch Krimis, in denen die Ermittler um die Leichen herumlaufen und Witze machen, ein solcher Zynismus ist nicht mein Ding. Ich kenne auch genug echte Polizisten, um zu wissen, dass die das nicht machen.
Wie lange wollen Sie die Rolle noch spielen?
Das kann ich gar nicht sagen. Wenn ich eines Tages morgens aufwache und denke: „Ich habe keinen Bock mehr“, dann werde ich es wissen. Aber noch macht es mir Spaß. Falke ist mein Alter Ego geworden. Wenn ich durch den Kiez laufe, denke ich: Was der Falke wohl gerade macht? Er ist eine regelrechte Bezugsperson, die kann ich nicht einfach so im Stich lassen.
Das Gespräch führte Cornelia Wystrichowski.