Hat Til Schweiger Schauspielerinnen und Schauspieler sowie Mitglieder seiner Filmcrew beschimpft und schikaniert? Kam er immer wieder betrunken ans Set? Wurde er sogar in mindestens einem Fall gewalttätig? Es sind schwere Vorwürfe, die Insider gegen den 59-jährigen Schauspieler, Regisseur und Produzent im „Spiegel“ erhoben haben (wir berichteten), vor allem im Zusammenhang mit den Dreharbeiten zu den jüngsten Produktionen „Lieber Kurt“ und „Manta Manta 2“. Nicht nur er, sondern auch die Constantin Film dementierte. Das wiederum erbost die Schauspielerin Nora Tschirner, die an Schweigers Seite etwa in „Keinohrhasen“ spielte. Sie habe einen „Pulsschlag wie ein Kolibri“ nach der Lektüre des „Spiegel“-Artikels, so Tschirner via Instagram. Die dort geschilderten Zustände seien für jeden in der Branche „ein absolut offenes Geheimnis“. Sie habe „da keinen Bock mehr drauf“.
In ihrem Video wirft die 41-Jährige den Verantwortlichen Untätigkeit vor: „Wenn man so was hört und noch nicht mal sagt: ,Wir gucken uns das mal genauer an, wir gehen der Sache mal auf den Grund‘, sondern sagt: ,Nee, ist alles cool‘, und damit auch den Mut ignoriert der Leute, die sich das eben in ihren Positionen eigentlich überhaupt nicht leisten können, die ja Angst haben, ihren Namen zu sagen, und sich das nicht leisten können, da ein Fass aufzumachen – also das ist echt höhnisch.“ Wenn die Filmindustrie nicht auf den Arbeitsschutz achte, dann müsse sie sich fragen lassen, auf welcher Seite sie gestanden habe, so Tschirner, die sich jedoch nicht explizit zu den Vorwürfen gegen Schweiger äußert.
Zahlreiche ehemalige und aktuelle Mitarbeiter hatten dem „Spiegel“ von einem Klima der Angst berichtet, das bei Dreharbeiten mit dem Regisseur geherrscht haben soll. Die meisten wollten nicht mit Namen genannt werden. Das Magazin zitiert Aussagen einer Frau, die hier das Pseudonym Tina Braun trägt und sich erinnert, dass Schweiger bei den Dreharbeiten zu „Lieber Kurt“ am Set „ständig ausgerastet“ sei, wenn ihm etwas nicht schnell genug gegangen sei oder nicht gefallen habe. Trotzdem habe sie zugesagt, als sie für „Manta Manta 2“ angefragt wurde. Auch dieses Mal habe Schweiger sich wie ein „Imperator“ aufgeführt, geschrien und geschimpft. Darüber hinaus seien Drehzeiten überzogen worden, weil sich der Schauspieler und Regisseur in Details verrannt und immer neue Szenen hinzugefügt habe. Der dadurch entstandene Zeitdruck am Set habe dazu geführt, dass Sicherheitsmaßnahmen weniger ernst genommen worden seien, prompt sei es sogar zu Unfällen gekommen.
Der „Spiegel“ zitiert Kollegen, die Schweiger allerdings bescheinigen, nicht immer so gewesen zu sein. Im Gegenteil: „Jahrelang war Til ein feiner Kerl, großherzig, intelligent, lustig.“ Dass er zum Tyrannen geworden sei, habe zwei Gründe – seine Machtposition im Filmbusiness und sein Alkoholkonsum.
Die Gewerkschaft Verdi in Nordrhein-Westfalen bestätigte unterdessen den Bericht des Magazins. Man habe zahlreiche Meldungen bekommen, in denen es unter anderem um lange Arbeitszeiten und die Unterschreitung der Ruhezeiten gegangen sei, sagte deren Sprecher Ingo Weerts dem Westdeutschen Rundfunk (WDR). Auch sei davon die Rede gewesen, dass Schweiger „gewalttätig gegen Personen der Produktionsabteilung vorgegangen ist“. Aus der Distanz habe man das aber nicht verifizieren können, so Weerts.
Schweigers Anwältin antwortete dem „Spiegel“, ein Teil der „Sachverhalte“ sei ihrem Mandanten „nicht bekannt“, ein anderer unterstelle „angebliche Sachverhalte, die es nicht gegeben hat“. Es handele sich um seit Jahren „kursierende Gerüchte“. Auch die Constantin Film, mit der Schweiger seit dem vergangenen Jahr zusammenarbeitet, weist die Vorwürfe zurück. Am Set von „Manta Manta 2“ hätten weder Druck noch Angst geherrscht: „In Wirklichkeit war die allgemeine Stimmung während der Dreharbeiten ganz überwiegend überdurchschnittlich positiv.“ Die Unfälle hätten „verschiedene Ursachen“, die nichts mit einer „angeblichen Überschreitung der Arbeitszeiten oder einer sonstigen Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften zu tun hätten, ebenso wenig wie mit einer angeblich am Set herrschenden negativen Stimmung“.
Schweiger, der im Jahr 1991 durch „Manta Manta“ einem größeren Publikum bekannt wurde, zählt seit Jahren zu den größten deutschen Film- und Fernsehstars, dessen Kinofilme wie „Kokowääh“ oder „Honig im Kopf“ ein Millionenpublikum erreichten. Zwischen 2013 und 2016 entstanden außerdem vier „Tatort“-Krimis mit ihm als Hamburger Kommissar Nick Tschiller. Sein Debüt „Willkommen in Hamburg“ sahen damals 12,57 Millionen Zuschauer, die zu diesem Zeitpunkt höchste Zuschauerzahl einer „Tatort“-Folge seit zwei Jahrzehnten.