„Wir waren einfach nicht mutig genug“

von Redaktion

INTERVIEW Peter Urban über seinen letzten ESC, die Platzierungen Deutschlands und Kritik aus dem Netz

Seit 25 Jahren ist Peter Urban die deutsche Stimme des ESC. In diesem Jahr aber, mit dem Finale am Samstag im englischen Liverpool, verabschiedet er sich vom europäischen Musikfestival, das er nur einmal, im Jahr 2009, aus gesundheitlichen Gründen verpasste. Ein Gespräch mit dem 75-Jährigen, der sich auch als Musikexperte, und langjähriger NDR-Radiomoderator einen Namen machte.

Was war für Sie im Rückblick das beeindruckendste, das schönste, das dramatischste ESC-Finale?

Oh, schwer zu sagen! Die dramatischsten Finals sind ja immer die, bei denen es bis zum Schluss spannend ist. Das schönste war natürlich das Finale von 2010, bei dem Lena gewonnen hat. Und besonders beeindruckend war für mich zuletzt der Sieg des Portugiesen Salvador Sobral im Jahr 2017 – damit hatte niemand gerechnet. Ein gutes Beispiel dafür, wie sehr sich der ESC verändert hat.

Wenn man sich die Ergebnisse der Jahre seit 2015 anschaut – nur einmal sind die Deutschen in diesem Zeitraum nicht ganz hinten gelandet. Was machen wir falsch?

Fangen wir mal 2015 an, da hatten wir kein Glück. Da hätte eigentlich Andreas Kümmert in Wien auf der Bühne stehen sollen, der den Vorentscheid klar gewonnen hatte. Tolle Stimme, toller Song! Und dann sagt der auf offener Bühne: „Ich kann das nicht!“ Das war tragisch, weil wir mit diesem Titel unter die ersten fünf gekommen wären, mindestens. Und dann kam die Zweitplatzierte ins Finale, Ann Sophie, und wurde Letzte.

Aber in den Jahren danach wurde es ja nicht besser…

Vielleicht waren wir einfach nicht mutig genug. Wir versuchen immer, mit normalen Popsongs aus dem Mainstream zu punkten, mit Titeln, die im Radio so nebenbei laufen, und mit Künstlern, die unerfahren sind. Da war Michael Schulte die Ausnahme, der schon vorher einen Namen hatte und mit einem wunderbaren Song angetreten ist (Platz 4 im Jahr 2018, die Red.). Es kommt einfach auf die Qualität des Titels an und auf die Überzeugung, mit der man ihn singt. Eine ehrliche Emotion, mit der man das internationale Publikum erreicht.

Viele hierzulande sind davon überzeugt, dass die Voten der anderen Länder Voten gegen Deutschland sind.

Nein, das ist ein Irrtum! Wenn wir etwas Gutes, etwas Außergewöhnliches liefern, wie bei Lena oder Michael Schulte oder damals bei Max Mutzke im Jahr 2004, dann geben uns die anderen Punkte, sogar die Österreicher und die Schweizer. (Lacht.) Auf der anderen Seite sollten wir das alles nicht zu ernst nehmen. Es ist eine Show, eine Unterhaltungssendung, wir sollten uns freuen an diesem Event, an den wunderbaren Fernsehbildern, an den wirklich interessanten musikalischen Beiträgen und den manchmal skurrilen Geschichten dahinter.

Ähnlich wie Sportreporter im Fernsehen wurden und werden sicher auch Sie öfters beschimpft, oder?

Das kommt immer wieder vor, besonders seit es die Sozialen Netzwerke gibt. Aber ich lese das nicht alles, sonst müsste ich ja auch alle positiven Kommentare lesen. (Lacht.) Das darf man nicht an sich herankommen lassen. Oft gibt es böse Worte – übrigens auch von Journalisten – zu Sätzen, die ich gar nicht gesagt habe. Was nicht heißt, dass Kritik nicht auch ab und zu berechtigt ist.

Wie schätzen Sie die Chancen von Lord of the Lost ein?

Ich denke schon, dass sie einen besseren Platz erreichen als deutsche Teilnehmer in den vergangenen Jahren. Weil sie eben auffallen. Und dann ist Rockmusik gar nicht so unpopulär beim ESC mittlerweile, viele Fans stimmen gerne für solche Nummern. Ich prognostiziere, dass wir in der oberen Hälfte landen, das wäre zwischen Platz 1 und Platz 13. Und wenn es dann Platz 14 oder 15 wird, bin ich auch zufrieden. Alles andere wäre für mich schon eine Enttäuschung.

Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.

Artikel 2 von 2