Wieder nur Schlusslicht

von Redaktion

Nach dem deutschen Debakel die wichtigsten Fragen und Antworten zum ESC

VON JÖRG HEINRICH

Jan Böhmermann und Olli Schulz hatten in ihrem Livestream beim Ösi-Sender FM4 leider den richtigen Riecher. „Glatt und bitter gehen wir unter“, reimten die beiden über den deutschen Beitrag „Blood & Glitter“ beim Eurovision Song Contest in Liverpool. Am Ende landete Deutschland mit der Glamrock-Band Lord of the Lost wieder auf seinem ESC-Stammplatz – dem letzten. Die schwedische Favoritin Loreen gewann mit „Tattoo“ zum zweiten Mal nach 2012 und ist jetzt die erste Frau mit zwei Siegen beim größten Wettsingen der Welt. Eine Analyse.

Waren Lord of the Lost wirklich so schlecht?

Nein, im Gegensatz zu peinlichen Auftritten wie „I don’t feel Hate“ von Jendrik vor zwei Jahren mussten sich die Hamburger für ihr knallbuntes Spektakel nicht schämen. Das sah auch ARD-Kommentator Peter Urban so, der bei seinem Abschied haderte: „Das hat die Band nicht verdient.“ Am Ende reichte es für drei Punkte von den Jurys (zwei aus Island, einer aus Tschechien) und für 15 Punkte von den Zuschauern weltweit. 18 Punkte insgesamt – das war wieder die rote Laterne.

Warum wurden wir wieder Letzter?

Barbara Schöneberger kritisierte nach dem Finale: „Ich fand es ein bisschen statisch. Die waren mit ihren Instrumenten festgewachsen, die Bühne wurde nicht so optimal ausgenutzt.“ Am Ende scheiterte Deutschland aber wieder daran, dass der verantwortliche Norddeutsche Rundfunk (NDR) die ESC-Regeln immer noch nicht verstanden hat. Denn jede Jury und jedes Land vergibt immer nur für seine Top 10 Punkte. Wer mit einem „okayen“ Beitrag, wie er meist vom NDR kommt, überall solider Elfter wird, hat am Ende trotzdem null Punkte.

Wie haben Lord of the Lost reagiert?

Mit Fassung. „Klar ist es total hart, Letzter zu sein. Aber wir kommen nicht aus dem Nichts, und wir gehen nicht ins Nichts“, erklärte Sänger Chris Harms anschließend. Denn demnächst geht es wieder als Vorband von Iron Maiden auf Tour. Weil die Glamrock-Sause zumindest ein mutigerer deutscher Auftritt war als zuletzt, hoffen die Lords, dass sie „ein fantastisches Fundament für eine Neuausrichtung in Deutschland gegossen haben“. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) will nach der erneuten Pleite Ursachenforschung betreiben. „Wir sind mit einem außergewöhnlichen Act gestartet, der überhaupt nicht das Ergebnis erzielt hat, das wir uns gewünscht haben. Das ist sehr, sehr enttäuschend“, sagte der Chef des ARD-Teams, Andreas Gerling. „Der Diskussion und Überlegung, warum auch dieser Titel beim ESC nicht verfangen hat, müssen und werden wir uns jetzt stellen.“ Dass Deutschland sich verabschiedet aus der Veranstaltung, wird nicht ernsthaft diskutiert – zumal es auch kein sündteures Spektakel ist. Die ARD zahlt etwa 400 000 Euro für den Startplatz.

Mag uns Europa einfach nicht?

Entertainer Thomas Gottschalk schimpfte jetzt – wie so viele – via Instagram: „Wir werden vom Rest Europas doch inzwischen verarscht, was die Bewertung beim ESC betrifft. Die mögen uns einfach nicht.“ Doch diese Theorie ist „Unsinn und Quatsch“, findet auch Peter Urban. Denn wenn Europa „uns“ nicht mögen würde, hätte Lena Meyer-Landrut im Jahr 2010 nicht gewonnen, und Michael Schulte wäre 2018 nicht Vierter geworden. Letztlich liegt es nur am Song und am Auftritt.

Wie hat sich Peter Urban verabschiedet?

Sehr sympathisch und emotional. Der 75-Jährige bedankte sich bei den „lieben Leuten“ in Deutschland, die ihm über 25 Jahre zugehört haben. Und er versprach seiner Frau Laura (46) und den beiden Kindern einen ganz privaten Song Contest 2024: „Jetzt können wir gemeinsam schauen.“ Thomas Gottschalk empfiehlt schon mal: „Macht Constantin Zöller vom SWR zu seinem Nachfolger. Ich erkenne ein Radiotalent, wenn ich es höre. Er ist eines!“

Hat Deutschland noch Lust auf den ESC?

Auf jeden Fall! Knapp acht Millionen schauten am Samstagabend im Ersten und bei One zu, das waren 900 000 mehr als in den vergangenen beiden Jahren. Und bei den 14- bis 49-Jährigen war der Marktanteil mit 53,4 Prozent so hoch wie seit Lenas Sieg 2010 nicht mehr.

Warum hat Elton der Moderatorin einen Keks spendiert?

Elton vertrat Barbara Schöneberger (die in Liverpool war) beim Verlesen der deutschen Jury-Punkte. Dabei spendierte er Hannah Waddingham einen Keks – als Anspielung auf die Serie „Ted Lasso“. Darin spielt Waddingham die Fußballklubbesitzerin Rebecca Welton, die die selbst gemachten Biskuits ihres Trainers Ted Lasso heiß und innig liebt.

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