Diesen Abschied hat Ulrike Kriener lange vorbereitet – in ihrem Kopf. „Ich wollte immer zurückschauen und sagen können: Das hast du gut gemacht. Das war eine tolle Zeit in deinem Leben“, sagt die Schauspielerin, die nach 20 Jahren ihren Dienst in der ZDF-Krimireihe „Kommissarin Lucas“ quittiert. Mit den zwei letzten Episoden im Oktober ist für die Fernsehermittlerin Ellen Lucas Schluss. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Kriener, warum man sie nackt auf den Marienplatz stellen, aber niemals erschießen dürfte.
Wann haben Sie das erste Mal daran gedacht, aufzuhören?
Die Frage hat sich ziemlich leise eingeschlichen. Aber als ich vor sieben Jahren auf Wunsch der Polizei in Regensburg die Abschiedsrede auf ihren Polizeipräsidenten hielt, stand sie plötzlich ganz klar im Raum. Da saß ein Gleichaltriger, der mit 60 in den Ruhestand ging und sich auf seine ehrenamtliche Arbeit als Hospizhelfer freute. Das hat mich schon beeindruckt.
Trotzdem haben Sie noch ein Weilchen gewartet…
Ja, ich wollte diesen Prozess, diese wichtige Lebensphase mit Ellen Lucas harmonisch und in Absprache mit dem Team, dem Sender und den Produzenten beenden und selbst den Sack zumachen.
Wie haben sich die Dreharbeiten zu den letzten beiden Episoden angefühlt?
Ich bin da mit dem Wunsch reingegangen, diese letzten Dreharbeiten, die Zeit mit dem Team, aber vor allem mit der Lucas noch mal so richtig zu genießen. Es war schon komisch zu wissen, dass eine Frauenfigur, die ich 20 Jahre lang mitgestaltet habe und an die die Zuschauer gewöhnt sind, danach einfach verschwindet. Plötzlich ist die weg.
Wofür sind Sie ihr dankbar?
Für das, was ich durch sie und mit ihr lernen durfte – im Beruf, aber auch privat. Zum Beispiel, dass Entwicklung nicht immer nur im Neuen liegt. Man kann – wie in einer Partnerschaft – auch Phasen haben, in denen man hadert, gestresst ist oder sich ärgert. Aber es lohnt sich, diese Zeiten zu durchleben und die Erfahrung zu machen, dass man sich durchbeißen kann. Daraus entsteht eine neue Qualität.
Wie viel Zuneigung empfinden Sie für diese Frau, die es den Zuschauern mit ihrer spröden bisweilen ruppigen Art nicht immer leicht gemacht hat?
Ich liebe sie! Es war ein riesiges Geschenk, diesen rauen Charakter über die Jahre weiterzuentwickeln, immer feiner zu differenzieren. Ich kenne keine Figur so gut wie sie. Und am Ende hatte ich das Gefühl, du kannst mich nackt auf den Marienplatz stellen – mit oder ohne Waffe – und ich kann die Lucas spielen.
Im Oktober sollen die letzten beiden Fälle im ZDF ausgestrahlt werden, hängen die Episoden thematisch zusammen?
Vom Kriminalfall her nicht, nein. Aber was sich durch beide Filme durchzieht ist der Zweifel der Lucas, ob sie noch die Leistung im Beruf bringt, die gefragt ist. Es sind Fragen an das Alter: Bin ich noch fit und schnell genug, um mit den jüngeren Leuten mitzuhalten.
Fragen, die Sie sich auch stellen?
Natürlich merke ich, dass ich 68 Jahre alt und eine andere Generation bin. Und das Rennen, das Hinter-den-Mördern-herhechten, war ja nie meine starke Seite. Unser erster Kameramann Thorsten Breuer konnte schon vor einigen Jahren rückwärts schneller laufen als ich vorwärts. Mit Kamera wohlgemerkt! (Lacht.) Aber als Schauspielerin kannst du, wie in vielen anderen Berufen auch, mit deiner Erfahrung ein Manko an Tempo kompensieren.
Konnten Sie Ihren filmischen Abschied mitgestalten?
Ich wollte auf gar keinen Fall erschossen werden. Und Drehbuchautor Christian Jeltsch hat mir das auch glücklicherweise erspart. Ich finde es unwürdig, wenn man vorher immer von ,den starken Frauen‘ spricht, und dann sollen die am Ende so einen blöden Heldentod sterben und blutend und wimmernd in den Armen ihrer Assistenten verenden? Nein, wenn man stark anfängt, sollte man auch stark aufhören. Und ich glaube, das ist uns gelungen.
Ist der Abschied von der Lucas auch ein Abschied von der Schauspielerei?
Nein, auf keinen Fall! Aber ich freue mich auf mehr Freiheit. Auf mehr Zeit für Lesungen, die ich wahnsinnig gern mache, und vor allem auf andere Rollen. Das Spielen ist für mich immer noch eine große Freude. Als Kommunikationsmonster liebe ich es, mit einem Team zusammenzuarbeiten, mich auszutauschen, neue Kollegen und Regisseure kennenzulernen. Das ist mein Lebenselixier. Ganz aufhören würde ich nur, wenn die Anstrengung größer wird als die Freude, die ich habe.
Das Gespräch führte Astrid Kistner.
„Kommissarin Lucas“
hat am 7. und am 28. Oktober um 20.15 Uhr ihre letzten Auftritte im ZDF.