„Ich wollte wieder Neues wagen“

von Redaktion

INTERVIEW Karin Hanczewski über den ARD-Debütfilm „Bulldog“ und ihren „Tatort“-Ausstieg

Sie wirken auf den ersten Blick wie ein Liebespaar, dabei sind die 36-jährige Toni und der 21-jährige Bruno Mutter und Sohn. Auf Ibiza halten die beiden Ferienwohnungen für Urlauber sauber. Ihre enge Beziehung bekommt Risse, als Hannah (K. Hanczewski), Tonis neue Liebe, in den gemeinsamen Bungalow einzieht. André Szardenings schrieb das Buch und führte Regie im Spielfilm „Bulldog“, der am Sonntag um 23.35 Uhr in der Reihe „ARD-Debüt“ zu sehen ist. Karin Hanczewski ist auch im Dresdner „Tatort“ Dritte im Bunde – hier allerdings ganz und gar gleichberechtigt. Doch mit dem Sonntagskrimi ist bald Schluss, die 41-jährige gebürtige Berlinerin hat ihren Ausstieg angekündigt.

„Bulldog“ handelt von einer ganz speziellen Dreiecksbeziehung. Was genau fanden Sie daran so faszinierend?

Dazu muss ich vielleicht erklären, dass Lana Cooper und Julius Nitschkoff schon besetzt waren, als André Szardenings mir anbot, Hannah zu spielen. Ich habe einen Teaser gesehen und mochte sofort den Look dieses Films. Außerdem fand ich die symbiotische Mutter-Sohn-Beziehung extrem spannend. Ich hatte Lust, ein Teil dieses Dreiecks zu sein.

Sie haben „Bulldog“ vor Ihrem Outing gedreht, hatten Sie keine Angst, dass manche von Ihrer Rolle auf Sie als Privatperson schließen?

Nein, darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Es geht um Hannah, nicht um mich. Außerdem liegt das Hauptaugenmerk wie gesagt nicht auf der Beziehung zwischen den beiden Frauen, sondern auf der zwischen Mutter und Sohn.

Nach der „Act out“-Aktion haben Sie dann, so war in einem Interview zu lesen, nur noch Angebote bekommen, bei denen Sie lesbische Frauen spielen sollten…

Das stimmt, ungefähr ein Jahr lang gab es viele solcher Angebote. Aber das hat sich zum Glück wieder geändert.

Sie haben vor Kurzem angekündigt, den Dresdner „Tatort“ zu verlassen. Ihre Kollegin Verena Altenberger hat sich vom Münchner „Polizeiruf“ mit der Begründung verabschiedet, sie habe Angst, eine Rolle zu beschädigen, wenn sie zu lange an ihr festhalte. War das bei Ihnen auch das Motiv, mit dem „Tatort“ aufzuhören?

Mir ist es wichtig, wieder ins kalte Wasser zu springen, etwas Neues zu wagen. Ich durfte im „Tatort“ viel spielen, nicht nur die Kommissarin. Karin Gorniak wurde zum Beispiel schon mehrmals fast umgebracht. (Lacht.) Das heißt, ich durfte in der Rolle auch mehr sein als eine ermittelnde Figur. Aber ich habe jetzt insgesamt 18 Filme gemacht, und da ist es einfach an der Zeit, mich wieder anderen Geschichten und vor allem anderen Rollen zuzuwenden, auch wenn mir die Entscheidung nicht leichtgefallen ist und mir Karin Gorniak sicher fehlen wird.

In jüngster Zeit gibt es, ausgelöst durch den Fall Til Schweiger, viele meist anonyme Klagen über ein schlechtes Arbeitsklima an Filmsets – haben Sie solche Erfahrungen auch gemacht?

Ich weiß, dass es vorkommt, dass Menschen schlecht behandelt wurden und werden, und ich finde es erschreckend, wie selten so etwas Konsequenzen hat. Dabei geht es nicht nur um Schauspielerinnen und Schauspieler, sondern auch um Personen, die hinter der Kamera arbeiten. Es ist verständlich, dass viele schweigen, weil sie Angst haben, ihre Jobs zu verlieren, ihre Familien nicht mehr ernähren zu können. Ich habe das Gefühl, dass es „Safe Spaces“ vor allem für die gibt, die sowieso die Macht haben.

Warum, glauben Sie, trauen sich auch die Stars nicht, den Mund auf- zumachen?

Weil auch sie vielleicht Angst haben, als unbequem zu gelten und danach nicht mehr besetzt zu werden. Wie wenig gerade auf Frauen gehört wird, sieht man ja auch am Fall Till Lindemann. Es ist wichtig und richtig zu prüfen, ob die Vorwürfe zu Recht erhoben werden, aber die Zahl der Frauen, die ihm missbräuchliches Verhalten vorwerfen, ist groß. In unserer Branche war Nora Tschirner die Einzige, die sich wirklich öffentlich zu den Zuständen an Filmsets geäußert hat. Der Stein kommt aber leider meist erst ins Rollen, wenn sich Betroffene zusammentun.

Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.

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