Petra Gerster tat es, Claus Kleber tat es (manchmal) – sie genderten. Und erzürnten mit „Glottisschlag“ ausgesprochene Wörter wie „Politiker’innen“ oder Ärzt’innen“ viele Zuschauerinnen und Zuschauer. Längst hat auch die Politik das Thema für sich entdeckt, so ist für CDU-Chef Friedrich Merz das Gendern sogar verantwortlich für das Erstarken der Rechtspopulisten in Deutschland. „Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar hundert Stimmen mehr zur AfD“, schrieb Merz neulich in seinem wöchentlichen Newsletter und via Twitter. Und er ist nicht der Einzige, der bei der „geschlechtergerechten Sprache“ rot sieht. Aber – ist das Gendern in Radio und Fernsehen tatsächlich so weit verbreitet, wie die wütenden Reaktionen vermuten lassen? Unsere Zeitung hat einmal nachgefragt.
Beim NDR („Tagesschau“, „Tagesthemen“) gibt es „keine Direktive zum Gendern“. Allerdings, so eine Sprecherin, gelte seit 2015 für alle Beschäftigten die Anregung, „sensibel mit dem Thema geschlechtergerechte Sprache umzugehen“. Der Sender empfiehlt die „Beidnennung“, also „Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten“, neutrale Bezeichnungen wie „Team“ oder „Gäste“ sowie Partizipien („Teilnehmende“). Seitens des Publikums, so heißt es weiter, „gibt es keine einheitlichen Reaktionen. Teilweise begrüßen die Nutzerinnen und Nutzer das Verwenden der geschlechtergerechten Sprache, teilweise lehnen sie es ab.“ Dieser Anregung entsprechend werde beim NDR nicht gegendert.
Beim ZDF, wo Jana Pareigis vor zwei Jahren auch beim Gendern die Nachfolge von Petra Gerster als Moderatorin der „heute“-Sendung antrat – und prompt wieder für Proteste sorgte, gibt es ebenfalls „keine konkreten Vorgaben und Regelungen“. Dies gelte „vor allem für die gesprochene Sprache“. Grundsätzlich – dieser Hinweis darf nicht fehlen – achte man darauf, „diskriminierungsfrei zu kommunizieren“. Der Satz, man lege Wert auf eine „geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Sprache“, fällt auch in der Stellungnahme des Bayerischen Rundfunks. Allerdings würden in den Formaten von BR24 (früher: „Abendschau“ und „Rundschau“) Frauen und Männer gleichermaßen adressiert. Der gesprochene oder geschriebene Genderstern „wird nach wie vor nicht praktiziert“.
Und die Privaten, die einst als innovativer galten als ARD und ZDF? Bei ihnen klingt es nicht viel anders, beispielsweise bei RTL („RTL aktuell“, „RTL direkt“). Man befürworte „eine gendersensible Sprache“, aber „unsere Moderatorinnen und Moderatoren gendern nicht“. Offener dafür, jedenfalls in der Theorie, ist man bei Pro Sieben-Sat.1. Dem Privatsenderverbund sei es „wichtig, dass wir mit Sprache nicht ausgrenzen“, heißt es aus Unterföhring bei München: „Ob eine Moderatorin oder ein Moderator unsere Zuschauer’innen mit ,Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer‘ oder mit ,Liebe Zuschauer’innen‘ anspricht, entscheiden die Moderatorin oder der Moderator im Dialog mit der jeweiligen Redaktion.“
Allen Antworten ist anzumerken, dass sie weder der einen noch der anderen Seite Anlass geben wollen, sich zu empören. Immerhin gut 70 Prozent der Deutschen lehnen einer Umfrage zufolge das Gendern in der gesprochenen Sprache ab. Bei den großen Sendern trägt man der Mehrheitsmeinung auch Rechnung. Eine Phantomdiskussion also? Das Gendern sei ein Begriff, der „eine große Gefühlskarriere gemacht und sich von nachprüfbaren Fakten gelöst hat“, konstatiert der Medienpsychologe Jo Groebel. In der Kritik am Genderstern manifestiere sich Kritik insbesondere an den Öffentlich-Rechtlichen ganz allgemein, denen man seit jeher eine Sympathie für Rot-Grün zuschreibe: „Und wenn es schwer fällt, ARD und ZDF konkrete Fehler in ihrer Berichterstattung nachzuweisen, konzentriert man sich aufs Gendern, das ja punktuell zumindest beim ZDF tatsächlich einmal praktiziert wurde.“
Aber auch beim Mainzer Sender ist der Genderstern einstweilen gesunken. ZDF-„heute“-Moderatorin Jana Pareigis spricht inzwischen wieder von „Soldatinnen und Soldaten“, „Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern“.