„Der war manchmal richtig uncharmant“

von Redaktion

Regisseurin Heidi Kranz über die Zusammenarbeit mit ihrem großen Kollegen Helmut Dietl

VON KATJA KRAFT

Wenn Heidi Kranz zu erzählen anfängt, kann man neidisch werden. Darauf, das alles damals nicht miterlebt zu haben. Münchens lässige Zeiten in den Siebzigern, Achtzigern. Wie heißt’s beim Monaco Franze? „Aus is und gar is, und schad is, dass’s wahr is!“ Duie Regisseurin nickt vielwissend. „Das war eine tolle Zeit in München. Heute dagegen ist die Stadt verspießert.“

Das ganze Leben damals ein nie enden wollender „Rossini“-Film. Man trifft sich im Romagna Antica – Helmut Dietls Inspirationsquelle für besagte Gesellschaftssatire. Trinkt literweise Kir Royal? „Das eher seltener. Stattdessen Wein, Bier und unglaublich viel Champagner. Champagner war das Getränk der Stunde. Aber ist es für mich eigentlich immer noch“, meint Kranz und lacht. „In ist, wer drin ist“, noch so ein Dietl-Satz. Kranz war’s und ist’s bis heute. Die 76-Jährige hat Dietl, na klar, auf irgendeiner Party kennengelernt. Es folgte rund 30 Mal Regieassistenz. Für Werbefilme. Heute Abend erzählt sie davon in „Und ewig lockt der Stenz – 40 Jahre Monaco Franze“ ab 20.15 Uhr im BR.

Er ist zu diesem Zeitpunkt auch dank „Monaco Franze“ längst eine Berühmtheit, sie steht noch am Anfang ihrer Karriere – und macht natürlich begeistert mit. „Ich habe ihn immer morgens mit meinem Volvo Cabriolet abgeholt. Und danach den Kameramann, meistens Igor Luther, Gernot Roll oder Joseph Vilsmaier“, erzählt sie. Und man sieht sie förmlich vor sich, wie sie zu dritt bei offenem Verdeck über die Leopoldstraße rauschen. Kranz damals schon mit kurzen Haaren, Dietl im weißen Anzug, Tuch um den Hals, Zigarette im Mundwinkel – „Helmut rauchte immer Gitanes“. Und er war morgens meist „ein bisschen grummelig“. Wenn sie ihn aufmuntern wollte, kam sein Standardspruch: „Im Gesicht fehlt mir nichts.“ Den verwendet sie selbst gern. Überhaupt hat sie viel gelernt von diesem Charakterkopf. „Er war ein sehr klarer Mensch. Er hat Position bezogen und dazu gestanden. Auch ich hätte nie die Karriere gemacht, die ich gemacht habe, wenn ich ständig umgefallen wäre.“

Ihr eigener Weg zum Film gleicht ja selbst einem Film. Im nordrhein-westfälischen Siegen geboren, begann sie nach der Schule, Medizin zu studieren. Irgendwann sagte ein Patient, selbst Produzent, zu ihr: „Du hast heilende Hände, die kann ich am Set gebrauchen.“ Und nahm sie unter seine Fittiche: „Nach drei Jahren hat er gesagt: ,So, nun kannst du alles. Jetzt flieg!‘“

Sie flog zunächst zum Bayerischen Rundfunk, drehte ihr erstes Fernsehspiel und gewann gleich einen Preis. Schnell etablierte sie sich in der Szene, und das als Frau, damals noch eine absolute Seltenheit.

Vielleicht, weil ihr immer das lag, was ungerechterweise sonst immer gern einzig Männern zugeschrieben wird – das Selbstbewusstsein, die Führung zu übernehmen. „Das Team ist das A und O. Das muss gut behandelt werden. Gleichzeitig muss einer die Leitung übernehmen, das Sagen haben. Jeder am Set hat eine andere Vision des Filmes im Kopf, wenn nicht einer alles zusammenführt und zusammenhält, wird daraus nichts.“

Ob Helmut Dietl in unserer Zeit noch erfolgreich Filme drehen könnte? „Ja. Aber anders, auf jeden Fall nicht mehr so diktatorisch. Wir haben gearbeitet, hart gearbeitet. Aber wir haben auch gelacht und Partys geschmissen. Es war alles irgendwie unbeschwerter damals.“

Dass man den Dietl heute auf einen solchen Sockel stellt, das entspreche diesem Mann, den Heidi Kranz damals kennen und schätzen gelernt hat, ihrer Meinung nach gar nicht. „Der war ja ein Mensch! Mit Ecken und Kanten. Der war nicht immer charmant. Der war auch manchmal richtig uncharmant. Aber das gehört auch dazu.“

Was ihn ausgezeichnet hat? „Der war auf den Punkt. Der wusste genau, was er den Leuten sagt. Er hat sehr viel entdecken können in den Menschen, was andere nicht gesehen haben.“ Kurz überlegt sie und zieht dann einen besonders schönen Vergleich. „Helmut war ein Laternenanzünder.“ Sein Licht strahlt bis heute.

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