Der gefallene Held

von Redaktion

Eine neue Dokumentation bei Paramount plus beleuchtet das Schicksal von Boris Becker

VON MARTIN WEBER

Er verzückte die Deutschen im Jahr 1985 mit seinem Sieg in Wimbledon und avancierte zu einem Volkshelden, wie ihn die Nation zuvor lange nicht gesehen hatte. Boris Becker, der damals 17-jährige Tennisspieler aus dem baden-württembergischen Leimen bei Heidelberg, wurde zu einem der populärsten deutschen Sportler überhaupt. Nach seiner Tenniskarriere machte „Bobbele“, wie er in den frühen Jahren von seinen Fans liebevoll genannt wurde, mehr negative als positive Schlagzeilen. Frauengeschichten, Geldsorgen und Ärger mit der Justiz schadeten seinem Image schwer.

Um all das geht es auch in der zweiteiligen Dokumentation „Boris Becker – Aufstieg und Absturz einer Legende“, die ab diesem Freitag beim Streamingdienst Paramount plus zu sehen ist. Zu Wort kommen unter anderen sein früherer Trainer Günther Bosch, der ehemalige Tennisprofi Pat Cash und immer wieder Boris Beckers Ex-Frau Lilly Becker, die an einer Stelle über ihn sagt: „Er ist ein Lügner.“ Nur einer äußert sich nicht in dem Zweiteiler, der alles in allem kein gutes Licht auf den ehemaligen Tennisstar wirft – Boris Becker selbst. Zumindest nicht mündlich, denn schriftlich verwahren sich Beckers juristische Berater in seinem Namen am Ende des Films in Form von Texteinblendungen gegen einige der gegen ihn erhobenen Vorwürfe.

Natürlich beginnt der Zweiteiler mit dem letzten Aufschlag, den Boris Becker am 7. Juli 1985 im Finale von Wimbledon seinem Gegner Kevin Curren um die Ohren schlug. Es war das Ass zum Sieg, das alles im Leben Beckers ändern sollte. Was folgte, war eine Welle der Begeisterung in Deutschland, die für den Teenager schmeichelhaft, aber auch eine ungeheure Last war, wie sich frühere Weggefährten erinnern. „Es war für mich schwer, ihn mit den Füßen auf dem Boden zu halten“, sagt Beckers damaliger Trainer und väterlicher Freund Günther Bosch, von dem sich der Tennisspieler, inzwischen zweimaliger Wimbledon-Sieger, im Jahr 1987 trennte.

Der Zweiteiler veranschaulicht mit vielen Archivaufnahmen und Bildern aus dem turbulenten Leben des Jungprofis sehr anschaulich, dass die ständige Beobachtung durch Medien und Öffentlichkeit wohl nur schwer zu verkraften war – im Glanz des „Bum Bum Boris“ wollten sich viele sonnen. An ein einigermaßen normales Leben war für ihn nicht mehr zu denken, nichts Privates blieb mehr privat.

Die Zeit nach Beckers Abschied vom Tenniszirkus Ende der Neunzigerjahre steht im Mittelpunkt des zweiten Teils der Doku. Mittlerweile verheiratet und Familienvater, geriet Becker ein ums andere Mal in die Schlagzeilen, seine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung im Jahr 2002 brachte viele seiner Fans gegen ihn auf. Auch privat lief es nicht mehr gut, Becker betrog seine Frau Barbara mit der aus Russland stammenden Britin Angela Ermakowa in einem Londoner Restaurant. Aus dem Schäferstündchen ging seine uneheliche Tochter Anna hervor, die Beckers ließen sich 2001 scheiden –- nur einer von mehreren privaten und geschäftlichen Tiefpunkten, mit denen der einstige Tennisheld in den letzten gut 20 Jahren negative Schlagzeilen machte.

Im vergangenen Jahr wurde Boris Becker in Großbritannien wegen Insolvenzvergehen zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt, von der er sieben Monate absitzen musste, bevor ihn die britischen Behörden nach Deutschland abschoben. Mittlerweile lebt der heute 55-Jährige in Italien, der Heimat seiner aktuellen Freundin Lilian de Carvalho Monteiro.

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