Dass Robert De Niro einmal Weltstar werden würde, eine Ikone der modernen Schauspielerei, eine Zeit lang sogar der Inbegriff für Schauspielerei an sich – das hätte er sich nie träumen lassen, als er erstmals Schauspielstunden nimmt. Damals, noch ein Teenager, will er einfach nur vor der Kamera stehen, das Kino zieht ihn magisch an. Theater interessiert ihn nicht. Früh hört man in der Filmbranche New Yorks von diesem Burschen, der anders ist als andere Schauspieler. Ein etwas schräger Einzelgänger, der etwa darauf besteht, tatsächlich im Sarg zu liegen, wenn er im Film beerdigt werden soll. Heute feiert er seinen 80. Geburtstag – und das quicklebendig.
Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre taucht er erstmals in teils skurrilen Arbeiten von Untergrundfilmern wie Brian De Palma oder Roger Corman auf und macht sich in der Szene einen Namen als „Eyecatcher“, also als einer, der die Blicke auf sich zieht. De Niro hat Glück und stolpert genau in das brodelnde „New Hollywood“, jene Ära, die alte Studiostrukturen und gewohnte Muster hinter sich lassen will.
1973 gelingt De Niro dann ein grandioser Doppelschlag: In „Bang the Drum slowly“ begeistert er als leicht minderbemittelter Baseballstar und in „Mean Streets“, dem ersten fiebrigen echten Meisterwerk von Martin Scorsese, quasselt er als überdrehter Kleinkrimineller alle um sich herum in Grund und Boden. Gleich im Jahr darauf glückt ihm der endgültige Durchbruch. In „Der Pate 2“ meistert er eine an sich unlösbare Herausforderung: Er stellt den jungen Vito Corleone dar, also den jungen Marlon Brando aus dem ersten „Paten“. Und das so atemberaubend gut, dass man ihm den Oscar überreicht. Und wieder überrascht er. Obwohl er im Film nur ein paar Sätze auf Italienisch sprechen soll, reist er nach Sizilien, um sich die Sprache im dortigen Dialekt einzuverleiben.
De Niro glaubt an das „Method Acting“ seiner Idole Montgomery Clift, Marlon Brando und Paul Newman, an das totale Verschmelzen des Schauspielers mit seiner Rolle. Das Ziel ist nicht, etwas darzustellen, sondern es zu sein. De Niro treibt das so weit wie niemand zuvor und wird damit zur Sensation: in „Taxi Driver“ (1976) als langsam durchdrehender Amokläufer, in „Die durch die Hölle gehen“ (1978) als besonnener Soldat, der als Einziger aus seinem Heimatort den Vietnameinsatz gesundheitlich und geistig unbeschadet übersteht, oder in „Raging Bull“ (1980), in dem er mit nie gesehener Wucht Aufstieg und Fall eines Profiboxers darstellt. Es folgen weitere Auftritte, die Maßstäbe setzen und aus De Niro einen Mythos machen.
Bei jedem neuen Film wird eine neue Zirkusnummer erwartet, die De Niro auch liefert, aber er fühlt, dass er als Schauspieler in der Falle steckt. Für „New York New York“ (1977) lernt er Saxofonspielen, für „Raging Bull“ studiert er nicht einfach nur ein paar Kampfsequenzen ein, sondern trainiert ein Jahr lang jeden Tag und bestreitet echte Kämpfe (die er gewinnt), nur um danach 30 Kilo zuzunehmen, um den alten abgewrackten Champion im selben Film spielen zu können. Es ging ihm dabei nie um Effekte, sondern um Wahrhaftigkeit.
Um die Jahrtausendwende entflieht er der Erwartungshaltung des Publikums mit einer sichtbaren Wurstigkeit in der Rollenwahl. Wobei man der Fairness halber sagen muss, dass sich das Kino generell nicht in eine Richtung bewegt hat, die Schauspielern wie De Niro eine Herausforderung bietet. Er wird Gesichtsvermieter und widmet sich dem Aufbau eines renommierten Festivals, führt (sehr ansehnlich) Regie und bleibt ansonsten wie zuvor auch, ein Mysterium.
Er, Vater von sieben Kindern, ist ein eingefleischter liberaler Anhänger der Demokraten, das ist bekannt, er hasst Donald Trump leidenschaftlich („Dem muss man die Fresse polieren“) und hat offenkundig eine Schwäche für afroamerikanische Frauen. Mehr ist über den Mann letztlich nicht bekannt, und das passt natürlich in das Konzept des „Method Acting“, der Schauspieler darf nicht über der Rolle stehen. Ein hehrer Ansatz, der im Starsystem Hollywoods allerdings nicht zu halten ist, ein bitteres Dilemma für De Niro, der Hollywood eh nicht mag. „In Los Angelos bin ich nur, wenn man mich dafür bezahlt“, wiederholt der New Yorker allzu gerne – und lässt sich natürlich bezahlen. Noch immer ist er einer der Topverdiener, sein Name eine Marke. ZORAN GOJIC
Am Montag zeigt Arte
„Die durch die Hölle gehen“ mit De Niro um 21.35 Uhr.