Heiko und Roman Lochmann wissen, was es heißt, Social-Media-Stars zu sein. Im zarten Alter von zwölf Jahren wurden die Brüder als „Die Lochis“ berühmt, die Influencer aus dem Kinderzimmer hatten bei Youtube an die drei Millionen Abonnenten – sie stürmten die Hitparaden, traten in Shows und Filmen auf. Doch irgendwann fühlten sich die Brüder zu erwachsen, um noch „Die Lochis“ genannt zu werden, sie treten jetzt als Band „He/Ro“ auf (nach den Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen) – aber der Hype um die Zwillinge ist seitdem Geschichte. Im Dokumentarfilm „Siehst du mich“ begleitet die Regisseurin Carolin Genreith die Lochmanns und zwei junge Influencerinnen in ihrem Alltag als Social-Media-Stars. Ihr Film ist morgen um 22.50 Uhr, nach den „Tagesthemen“, im Ersten zu sehen.
Genreith zeigt darin weitgehend unkommentiert, was es heißt, schon in jungen Jahren bei Tiktok, Instagram oder Youtube tausende von Followern zu haben und damit Geld zu verdienen. Gerade mal 14 Jahre alt ist Emilia Horn zu Beginn der Langzeitbeobachtung, ein Mädchen mit Zahnspange. Genreith zeigt, wie Emilia sich selbst mit dem Handy filmt, um ihren Followern ihr Kinderzimmer und ihr Bad zu zeigen – ihre Fans kommentieren die Videos, Emilia antwortet mit Herzchen.
Das Mädchen macht das nicht (nur) in Eigenregie, ihre Mutter hilft ihr bei dem hippen Hobby und gibt zu, dass sie selbst inzwischen süchtig nach Likes sei. Beim Urlaub unter südlicher Sonne etwa filmt sie, wie ihre Tochter sich auf einem Boot oder einer Klippe räkelt, das lange Haar schüttelt, kokett über die Schulter blickt. Solche Bilder locken auch mal die falschen Typen an. Ein älterer Mann schreibt Emilia, er möchte bitte ein Nacktfoto von ihr –- die Mutter reagiert empört. Gegen Ende des Films sagt Emilia, inzwischen 16, sie fühle sich „lost“ – nach fünf Jahren Social Media habe sie den Spaß daran verloren. Sie postet vorerst nichts mehr, konzentriert sich lieber auf die Schule.
Auch Heiko und Roman Lochmann spüren, dass ihnen die Sozialen Netzwerke über den Kopf wachsen. Mit einer speziellen App will sich Roman davor schützen, stundenlang bei Tiktok und anderen Zeit zu vergeuden: „Abends lag ich oft im Bett und wusste gar nicht, was ich den ganzen Tag gemacht habe.“ Doch die Kamera hält unerbittlich fest, dass Social Media ein integraler Bestandteil im Leben der beiden Digital Natives sind. Selbst als sie sich zu einem Spaziergang aufraffen („Lass mal raus in die Sonne“), bitten die „Lochis“ Filmemacherin Genreith, ein Foto von ihnen zu machen, das sie posten können. Als die Zwillinge ihr erstes Video als He/Ro hochladen, verfolgen sie danach wie hypnotisiert die ersten Kommentare der Fans – sie bestehen überwiegend aus freundlichen Emojis.
Die Dokumentation zeigt, wie stressig und auch belastend der Alltag eines Social-Media-Stars sein kann, der jeden Tag „liefern“ muss und nie weiß, wie lange der Hype noch anhält. Dabei fühlt Carolin Genreith auch einigen Klischees über die Generation Z auf den Zahn – zum Beispiel dem Vorurteil, dass die jungen Leute möglichst wenig arbeiten wollen. Dem widerspricht die Influencerin Natasha Kimberly vehement. „Es ist gar nicht so einfach, wie alle denken“, sagt die sympathische junge Frau, die ihren alten Job gekündigt hat, um Youtuberin zu werden. Mit ihren Videos geht sie humorvoll gegen Schönheitswahn und gegen Mobbing im Internet an, und wegen ihrer rund 500 000 Follower wurde sie auch für die Werbung interessant.
Der Dokumentarfilm begleitet sie zu ihrem Management, wo die nächsten Werbeanfragen besprochen werden – und der Slogan auf der Wand des Besprechungszimmers zeigt, dass der Job des Influencers stets auch den maximalen Profit beinhaltet: „We turn Hype into Cashflow“ steht da, auf Deutsch etwa: Wir verwandeln Begeisterung in bare Münze.