Letzte Runde

von Redaktion

Anne Will talkt wieder am Sonntagabend im Ersten, aber nur noch bis zum Jahresende

VON MARTIN WEBER

Wenn es so etwas wie eine Königin der politischen Talkshow in Deutschland gäbe – sie hätte wohl die Krone auf. Anne Will hat die meisten Zuschauer (heuer bisher im Schnitt 2,9 Millionen), sonntags gleich nach an den „Tatort“ den besten Sendeplatz und oft die wichtigsten Gäste. Zwar geben sich auch die Mitbewerberinnen Sandra Maischberger – an gleich zwei Tagen pro Woche – und ZDF-Konkurrentin Maybrit Illner alle Mühe, und dann ist da auch noch Frank Plasbergs Nachfolger Louis Klamroth mit seinem Polittalk „Hart aber fair“. Aber Anne Will und ihre gleichnamige ARD-Sendung sind seit Jahren beim Polittalk das Maß aller Dinge. Was hier von der 57-jährigen Moderatorin und ihren Gästen verhandelt wird, ist anschließend Tagesgespräch im Berliner Politbetrieb – auch wenn alle politischen Talkshows seit ein paar Jahren mit sinkenden Einschaltquoten zu kämpfen haben.

Doch bald ist Schluss mit „Anne Will“, denn Anne Will hat – nach immerhin 16 Jahren – keine Lust mehr. Sie hat wie berichtet ihren auslaufenden Vertrag mit dem verantwortlichen Norddeutschen Rundfunk (NDR) nicht verlängert und hört im Dezember mit ihrer Talkshow im Ersten auf. Sie wolle sich künftig anderen Projekten widmen und sei diesbezüglich bereits mit dem NDR im Gespräch, ließ die gebürtige Kölnerin unlängst verlauten. Bevor es so weit ist, gibt es aber wie gewohnt jeden Sonntag nach dem Krimi „Anne Will“. An diesem Sonntag (21.45 Uhr) kommt sie aus der Sommerpause zurück und startet in ihre letzte Runde.

Wie es ist, wenn einem die halbe Nation genau zuschaut und zuhört, weiß Anne Will spätestens seit 1999. Damals durfte sie als erste Frau überhaupt die „Sportschau“ präsentieren. Zwei Jahre später übernahm sie den Topjob als Moderatorin der „Tagesthemen“ und wurde zum Star, jedes ironische Hochziehen der Augenbrauen versetzte so manchen Kritiker in Entzücken. Als Will dann Sabine Christiansen als ARD-Polittalkerin beerbte, nachdem Günther Jauch den Job abgelehnt hatte, begegnete sie dem hohen Erwartungsdruck mit Ironie. „Ich bin zuversichtlich, dass ich alle Erwartungen souverän unterlaufen werde“, sagte sie.

Vier Jahre später hatte Jauch, der längst eines der wichtigen Gesichter bei RTL war, dann plötzlich doch Lust auf den renommierten Polittalk am Sonntagabend im Ersten, und die ARD überließ dem damals 55-Jährigen ohne zu zögern Anne Wills angestammten Sendeplatz. Dabei dürfte sie wohl auch das Prozedere als Tiefschlag empfunden haben. Angeblich wurde sie erst wenige Stunden vor der öffentlichen Bekanntgabe des Coups eingeweiht – nicht gerade sehr kollegial. Die erfolgreiche Moderatorin wurde mit ihrer Talkshow auf den späten Mittwochabend verbannt, wo sie ihren Job aber weiterhin tapfer und hochprofessionell erledigte.

Genau das dürfte den Ausschlag dafür gegeben haben, dass sie 2016 wieder auf ihren alten Sendeplatz zurückkehren durfte, nachdem der oftmals überfordert wirkende Günther Jauch hingeschmissen hatte. Seitdem saß Anne Will fest im Sattel, auch wenn es immer mal wieder Kritik an ihr gab – so wurde unter anderem die Gästeauswahl bemängelt, außerdem, so wurde moniert, habe sie in Interviews mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel als einzigem Gast die journalistische Distanz nicht gewahrt.

Der Abgang Wills setzt im Ersten ein Personalkarussell in Gang. Ihre Nachfolgerin wird im kommenden Jahr „Tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga – sie wäre dann die dritte Frau auf diesem Posten, die zuvor die renommierte ARD-Nachrichtensendung präsentierte. Miosgas Nachfolgerin bei den „Tagesthemen“ wird Jessy Wellmer, die von der „Sportschau“ kommt. Ihren Job übernimmt Lea Wagner.

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