Eigentlich wollte Stephan Lamby einen ganz anderen Film machen. Wie stemmt sich eine Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP gegen die Erderwärmung und organisiert den klimaschonenden Umbau der deutschen Wirtschaft? Auf diese Frage wollte der 64-Jährige, der auch schon Filme über Helmut Kohl, Fidel Castro und Donald Trump gemacht hat, eine Antwort finden. Dann warf der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 alle Pläne über den Haufen.
„Ernstfall – Regieren am Limit“ heißt jetzt der Film, der am kommenden Montag um 20.15 Uhr in der ARD gezeigt wird. „Es war einmal eine Regierung mit guten Vorsätzen und dann kam alles anders“, beschreibt Lamby den Bruch, den der Kriegsbeginn für die Ampel-Koalition bedeutet hat.
Der Film beginnt mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die über den Start der Ampel schwärmt: Jedem Anfang wohne ein Zauber inne. Wenige Wochen später ist Baerbock die Erste aus der Regierung, die auf den Punkt bringt, dass der russische Angriff eine Zeitenwende bedeutet: „Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht“, sagt sie am frühen Morgen des 24. Februar auf einer Pressekonferenz.
Was der Krieg mit dieser Bundesregierung macht, ist das Hauptthema Lambys, der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf vielen Reisen begleitet und zahlreiche Interviews auch mit anderen Regierungsmitgliedern geführt hat.
Lamby erlebt viel Offenheit. Die Außenministerin verrät zum Beispiel, welche Entscheidung sie aus ihren ersten Monaten im Amt bereut: „Vielleicht hätten wir frühzeitig mit mehreren Leuten in die Ukraine fahren sollen.“ Und die Minister Habeck und Christian Lindner (Finanzen, FDP) spekulieren in separaten Gesprächen über die Indiskretion, die den ersten, noch sehr unfertigen Entwurf für das Heizungsgesetz an die Öffentlichkeit brachte. Vielleicht die stärkste Szene des Films.
Nur Kanzler Scholz lässt in den sechs Interviews, die Lamby mit ihm geführt hat, nicht tief blicken. Der Journalist erklärt sich das so, dass der Kanzler immer im Hinterkopf habe, was aus seinen Sätzen gemacht werden könne und daher eher zum Team Vorsicht gehöre. „Nach meinem Eindruck misstraut er nicht mir, sondern sich selbst“, sagt Lamby. In vertraulichen Gesprächen ohne Kamera erlebe man aber einen ganz anderen Regierungschef. „Es gibt zwei Scholze.“ Auf einen eigenen Kommentar verzichtet Lamby. „Es geht mir nicht darum, hart zu kritisieren, sondern festzustellen“, beschreibt er seinen Ansatz. Bereits ab Sonntag ist Lambys Film als Mini-Serie von dreimal 30 Minuten in der Mediathek des Senders zu finden.