Was sind Menschen bereit, für ein Glücksgefühl zu tun? Um diese Frage geht es im neuen „Tatort: Murot und das Paradies“ mit dem Wiesbadener LKA-Kommissar Felix Murot (Ulrich Tukur). Es ist eine Frage, die sich auch Murot selbst stellt. Er leidet nämlich gerade an einer Depression und sinnt bei seinem Analytiker der Frage nach, was Glück ausmacht. „Dann ist man 60 und kapiert, dass man nichts erreicht hat außer geplatzten Träumen“, sinniert er bei seinem Therapeuten. Das Erste strahlt den Krimi am Sonntag um 20.15 Uhr aus.
Analytiker Wimmer (Martin Wuttke) hat wenig Trost parat: „Je mehr wir es suchen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir es finden“, meint er über die Suche nach dem Glück. Doch selbst in dieser Sitzung klingelt das Telefon: Leichenfund. Murot kann nicht mal in der Therapie träumen, er muss ermitteln.
Der traurige Kommissar kann nicht ahnen, dass sein neuer, skurriler Fall auch mit einem Glücksrausch zu tun hat. Denn die beiden Leichen aus dem Bankermilieu, deren Tod er untersuchen soll, haben auf den ersten Blick nur eines gemeinsam: Ihnen wurde der Nabel entfernt und operativ durch einen Port ersetzt, mit dem sie gewissermaßen an eine künstliche Nabelschnur andocken können. Noch etwas verbindet die Toten, die in keiner Verbindung zueinander standen: Vor ihrem Ableben machten sie hohe Verlustgeschäfte durch den Handel mit exotischen Aktien. Und irgendjemand hat daran verdient.
Auch sonst wirft der Fall viele Fragen auf. Eine Investmentbankerin ist verdurstet, obwohl sie vom Hals abwärts in Wasser lag. „Das ist doch völlig gaga“, kommentiert Murots Assistentin Magda Wächter (Barbara Philipp).
Die Ermittlungen werden zu einem kleinen bisschen Horrorshow, denn Murot findet Zugang zu einer Unterwelt, die ebenso verstörend ist, wie auch die Antwort auf seine Sinnfragen zu sein scheint. Immerhin gibt es eine Tür, die geradewegs ins Paradies führen soll. Die Geliebte der toten Bankerin (Ioana Bugarin) ist ebenso geheimnisvoll wie attraktiv und stürzt den Kommissar in ziemliche Verwirrung. Dass er selbst eine Grenze überschritten hat, wird Murot klar, als er eines Morgens feststellt, dass auch er statt eines Nabels einen Port hat.
Magda Wächter ahnt, dass mit ihrem Chef etwas nicht stimmt und er der Arbeit, der Normalität entgleitet. Traumszenen und der Wechsel in andere Realitäten ermöglichen diesem „Tatort“ einmal mehr das Spiel mit Kino-Zitaten von „Uhrwerk Orange“ bis „Pulp Fiction“.
Regisseur und Drehbuchautor Florian Gallenberger wollte mit „Murot und das Paradies“ nach eigenen Angaben einen „Tatort“ machen, wie es ihn zuvor noch nicht gegeben hat und dabei auch keinen typischen Krimi erzählen. Tatsächlich ist dieser Film ungewöhnlich und ein wenig gewöhnungsbedürftig. Dabei kann Tukur mit sparsamer, aber ausdrucksvoller Mimik einmal mehr als Murot überzeugen, gerade im Zusammenspiel mit Philipp. Für Murot bleibt die Einsicht, dass die Menschen nicht fürs Glück gemacht sind. Die Tür zum Paradies ist ein Trugschluss. „Wir brauchen die unerfüllten Wünsche. Ich glaube, wir brauchen das Unglück, um überhaupt glücklich sein zu können.“