Schatten der Vergangenheit

von Redaktion

INTERVIEW Schauspieler Felix Klare über das ZDF-Missbrauchsdrama „Wir haben einen Deal“

Was passiert, wenn ein Mann, der mitten im Leben steht, nach Jahren seinem ehemaligen Fußballtrainer begegnet, der ihn als Kind sexuell missbraucht hat? Davon handelt der Fernsehfilm „Wir haben einen Deal“ von Felicitas Korn, den das ZDF heute um 20.15 Uhr zeigt. Felix Klare (46, „Tatort“) spielt diesen Frank Lechner, der voller Schuld- und Schamgefühle ist und lange nicht über seine Vergangenheit sprechen kann und will – bis er realisiert, dass sich sein Ex-Trainer immer neue Opfer sucht.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie sich mit dem Buch und mit Ihrer Rolle beschäftigt haben?

Mir war schnell klar, dass das sehr herausfordernd werden wird, auch emotional. Aber gerade das finde ich als Schauspieler reizvoll, weil in unserer Gesellschaft Emotionen nicht gefragt sind. Und zugleich habe ich einen wahnsinnigen Respekt bekommen vor der Figur. Ich wusste, ich muss das richtig, richtig gut machen, weil ich Verantwortung empfinde gegenüber allen, die so etwas erleben und erleiden mussten.

Haben Sie sich zur Vorbereitung mit Opfern getroffen? Kennen Sie echte Fälle?

Wir haben es versucht, aber die Produktion hat niemanden gefunden, der bereit war, sich mit Blick auf diesen Film seiner Vergangenheit zu stellen. Was ja schon viel aussagt. Ich habe mich dann aber erinnert, dass mir ein Kollege mal etwas von sich erzählt hat, was in die Richtung sexueller Missbrauch ging. Mit dem habe ich mich getroffen, nachdem ich ihn zehn Jahre nicht gesehen hatte. Ich bin ihm sehr dankbar, weil ich durch das Gespräch mit ihm zumindest ahnen konnte, was so etwas mit einem Menschen macht. Deswegen hoffe ich, dass sich Opfer durch diesen Film ermutigt fühlen, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Sie haben selbst vier Kinder – haben Sie die in irgendeiner Weise mal sensibilisiert dafür, dass so etwas passieren kann?

Sicher habe ich das mal angesprochen, aber man muss schon auch darauf achten, in welchem Alter die Kinder sind. Wenn man nah genug an ihnen dran ist, dann kommt vielleicht von selbst irgendwann einmal die Frage, etwa, weil sie von dem Thema gehört haben. Das ist dann immer der beste Zeitpunkt, darüber zu reden. Ansonsten achte ich darauf, dass sie stark und selbstbewusst sind, dass sie den Mund aufmachen, wenn ihnen etwas nicht passt.

Hat die Beschäftigung mit dem Thema auch Ihren Blick auf die Täter verändert?

In der Berliner Charité gibt es eine Anlaufstelle für solche Menschen. Ich habe da ein Video gesehen, in dem ein 23-Jähriger erzählt, dass ihn Kinderfüße, seit er denken kann, sexuell erregen. Und er nicht wisse, wie er damit umgehen soll. Da hat man die ganze Verzweiflung gespürt, geächtet zu sein von der Gesellschaft, für die es nichts Schlimmeres gibt als Neonazis oder Männer, die sich an Kindern vergreifen. Da wurde mir klar: Das kann vielen passieren.

Sie spielen oft Männer oder Väter unter Druck, solche, die im Begriff sind, alles zu verlieren. Ich denke da an „Bis nichts mehr bleibt“ über Scientology oder an „Weil du mir gehörst“ über einen Sorgerechtsstreit. Spielen Sie gerne solche Antihelden?

Das ist Auslegungssache. Auf den ersten Blick mögen das Antihelden sein, aber wenn es meine Figur in „Wir haben einen Deal“ schafft, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, dann ist das doch eine unfassbare Leistung. Und auch einer, dem es gelingt, bei Scientology auszusteigen, vollbringt Großes. Ich spiele auch gerne Helden. aber Helden haben wenig Brüche, das ist schauspielerisch nicht so attraktiv. Was wäre denn in Ihren Augen eine starke Figur?

Da fällt mir sofort Ihr „Tatort“-Kommissar ein.

Der hat aber auch Brüche. Trotzdem ist das die konventionellste meiner Figuren, immer der Gute, immer der Polizist, immer auf der richtigen Seite. In Krimis sind die Episodenhauptrollen oft spannender zu spielen als die Kommissare. Ich bin dankbar für diese Rolle und spiele sie nach wie vor gerne, aber schauspielerisch fordert sie mich bei Weitem nicht so sehr wie dieser Film.

Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.

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