Superstar mit Selbstzweifeln

von Redaktion

In einer Netflix-Dokumentation blickt Robbie Williams auf die ersten 30 Jahre seiner Karriere zurück

VON PHILIP DETHLEFS

Als Mitglied der Boygroup Take That wurde Robbie Williams einst bekannt. Nach seinem Ausstieg dort avancierte der britische Sänger zu einem der beliebtesten Popstars Europas, dessen Erfolg den seiner ehemaligen Bandkollegen noch übertraf. Doch hinter der Fassade des Superstars, der in Fußballstadien Zehntausende von Menschen begeisterte, verbarg sich ein von Selbstzweifeln geplagter Mensch. In der Dokumentation „Robbie Williams“ bei Netflix gibt der 49-Jährige jetzt einen Einblick in sein Seelen- und Privatleben.

„Als Künstler, oder besser gesagt als Prominenter, der Interviews gibt, gebe ich ständig sehr viel von mir preis“, sagt Williams im Gespräch in London und grinst. „Das liegt daran, dass ich nicht schlau genug bin, es zu lassen.“ Die vierteilige Serie sei „eine Fortsetzung davon, was ich ohnehin öffentlich mache“, sagt er, „nämlich viel zu viel von mir zu teilen“. Für die Dokumentation von Joe Pearlman ließ er sich filmen, während er zu Hause – meistens im Bett liegend – mehrere Stunden Archivmaterial aus drei Jahrzehnten anschaut und kommentiert.

Die Masse an Material ist beeindruckend. Seit seinem 16. Lebensjahr, als er Mitglied von Take That wurde, lief ständig eine Kamera. „Ich weiß nicht warum“, sagt Williams selbst etwas erstaunt. „Ich habe das nicht hinterfragt. Es war einfach normal. Es gab keine Anweisung von mir an das Management, dass die Leute mich jede Stunde des Tages filmen müssen.“ Er habe „zu viel zu früh“ erlebt, resümiert Williams und gibt sich selbstkritisch. Bei einigen Aufnahmen sei es ihm schwergefallen, die Momente noch einmal zu durchleben, etwa als er während eines Konzerts vor 90 000 Menschen in Leeds eine Panikattacke erlitt.

Dass sich das alles – und die ständige, aggressive Kritik der britischen Boulevardpresse – negativ auf seine Gesundheit auswirkte, ist bekannt. Williams litt an Depressionen, trank zu viel Alkohol und nahm zu viele Pillen. Ausgerechnet, als er seine heutige Ehefrau Ayda kennenlernte, erlitt er einen Rückfall. „Ich hatte so ein Gefühl, dass es vielleicht am besten wäre, wenn ich diese Welt verlassen würde“, gesteht er. Auch dank Ayda, mit der er inzwischen vier Kinder hat, bekam er die Kurve.

Offen spricht der Sänger über die gescheiterten Beziehungen mit den Kolleginnen Nicole Appleton von All Saints und Geri Halliwell von den Spice Girls. Er erzählt vom Bruch mit seinem langjährigen musikalischen Partner Guy Chambers, mit dem er sich inzwischen wieder versöhnte. Chambers ist nicht der Einzige, mit dem sich der Superstar zeitweise überworfen hatte. Szenen, bei denen er seine ehemaligen Take-That-Kollegen – insbesondere Gary Barlow – beleidigt, sind Williams heute spürbar unangenehm. „Ich wünschte, ich hätte das nicht gesagt“, gesteht er. Doch was Take That betrifft, gab es bekanntlich ein Happy End.

Die vorübergehende Rückkehr zur Band sei zudem „ein lebenswichtiger Schritt“ gewesen, um dahin zu kommen, wo er jetzt sei. „Mir war damals nicht klar, welche Auswirkung das haben würde“, erzählt Williams im Interview. „Ich war voller Wut, Verbitterung, Ärger und Frustration. Und das alles bin ich losgeworden, das wurde begraben.“ Zudem sei er dankbar gewesen, sich auf der Bühne neben den anderen vier Bandmitgliedern „verstecken“ zu können.

Schade nur, dass außer Robbie Williams selbst und seiner Frau Ayda niemand zu Wort kommt, wenn man von alten Interviews absieht. Es wäre interessant und spannend gewesen, die Sichtweise von Gary Barlow, Guy Chambers, Geri Halliwell oder anderen Beteiligten zu hören, die das Gesamtbild abgerundet hätten.

Für Robbie Williams selbst hatte die Serie eine „reinigende“ Wirkung, wie er sagt. Auf die Frage, wie es ihm heute mental gehe, überlegt er jedoch kurz. „In den letzten vier Wochen war es wirklich gut. Aber ich weiß nicht, warum“, sagt der Sänger. „Ich werde nächstes Jahr 50 und ich hoffe, dass ich viele der Dinge, die mir nicht guttun, endlich hinter mir lassen kann.“

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