Es sind „Roadmovies“ der besonderen Art – seit 40 Jahren reist Franz Xaver Gernstl durchs Land, immer auf der Suche nach interessanten Menschen entlang der jeweiligen Reiseroute. „Gernstls Reisen“ führten den wissbegierigen Filmemacher kreuz und quer durch Bayern und Deutschland und bis in die Türkei, nach Israel und in die USA. Für das Jubiläumsjahr haben sich der 72-Jährige und sein Team nun etwas Besonderes ausgedacht. Unter dem Titel „Call a Gernstl“ konnten Zuschauerinnen und Zuschauer den für seine Filme bereits vielfach ausgezeichneten Reporter, Autor und Produzenten zu sich nach Hause bestellen. Wen Gernstl, Kameramann Hans-Peter Fischer und Tonmann Stefan Ravasz am Ende besucht haben, zeigt das BR Fernsehen am 1. und am 2. Weihnachtsfeiertag jeweils um 18.45 Uhr. Beide Folgen sind auch in der ARD-Mediathek zu sehen.
Herr Gernstl, wie viele „Bestellungen“ sind bei Ihnen eingegangen und nach welchen Kriterien haben Sie die Menschen ausgesucht?
Es waren weit über 600 Zuschriften von Zuschauerinnen und Zuschauern, die uns etwas zeigen wollten, vom Maipfeiferl bis zum selbstgebauten Motorrad. Unser einziges Auswahlkriterium war: Ist das eine gute Geschichte?“ Und diese Entscheidung trifft man aus dem Bauch heraus – und hofft, dass man damit richtigliegt. Wichtig war uns dabei, ob hinter der vordergründigen Geschichte auch eine persönliche steckt. Nicht was jemand macht, sondern warum er es macht, was ihn antreibt. Wir mögen Leute, die etwas mit Leidenschaft betreiben, dann ist es fast schon egal, ob das eine Schneckenzucht ist oder eine Sterbebildsammlung.
Kamen Bewerbungen aus allen Regionen?
Eigenartigerweise kamen die meisten aus Altbayern und Franken, kaum eine aus Schwaben. Vielleicht sind die Schwaben zu bescheiden oder zu schüchtern, um sich selbst zu präsentieren.
Was ist durchs Raster gefallen, weil es besonders skurril, um nicht zu sagen „extrem“ war?
Besonders skurril wäre ja eher ein Pluspunkt bei der Auswahl. Durchs Raster gefallen sind Vorschläge von Leuten, die nur ihr neues Buch oder ihren Andenkenladen promoten wollten. Dafür sind wir die falsche Adresse. Was wir leider auch nicht wahrnehmen konnten, waren die zahlreichen Einladungen zum „besten Schweinebraten“. Das waren einfach zu viele, selbst für mich als Schweinebratenfan, danach wären wir durchs Land gekugelt. (Lacht.)
An welchen Besuch – oder an welche Besuche – haben Sie die besten Erinnerungen?
Am wohlsten habe ich mich beim Gespräch mit dem Zither Manä gefühlt. Es gibt so Momente, da trifft man jemand und versteht sich auf Anhieb so gut, als wäre man längst befreundet. Er hat uns Chuck Berry auf seiner bayerischen Zither vorgespielt. Und große Freude haben wir natürlich immer, wenn wir die Geschichte in der Geschichte entdecken. Wie zum Beispiel bei Kris Buckley, der Schneckenkönigin, die uns erzählt hat, das Günter, eine afrikanische Riesenschnecke, sie aus der dunkelsten Phase ihres Lebens gerettet hat. Oder bei Teresa die in einem winzigen Wohnkubus in der Münchner Studentenstadt wohnt und uns erzählt hat, wie sie nach dem Suizid ihres Freundes gelernt hat, das Leben zu lieben.
Hat Sie das Konzept selbst so überzeugt, dass es weitere Folgen geben wird?
Mir hat die neue Herangehensweise sehr gut gefallen. Und wenn es dem Publikum auch gefällt, das heißt, wenn die Einschaltquote stimmt, dann denkt der BR über eine Fortsetzung des Formats nach.
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.