„Würden Sie zu mir in den Gottesdienst kommen, wenn ich Priesterin wäre“, fragt Jacqueline Straub. Und Karl-Theodor zu Guttenberg antwortet: „Ich bin so neugierig, dass ich selbstverständlich kommen würde. Und ich würde mir ein Urteil nicht in dem Gottesdienst, aber auf dem Weg dorthin bilden und habe natürlich schon eine gewisse Tendenz.“
Eine gewisse Tendenz hat auch die komplette 90-Minuten-Dokumentation „KT Guttenberg – Um Gottes willen? Die Macht der Kirche in Deutschland“, die am 26. Dezember um 15.10 Uhr bei ntv läuft und bereits im Streamingangebot RTL+ zu sehen ist.
Der ehemalige Verteidigungsminister erkundet die Lage der Kirche in Deutschland. Obwohl es vom Anspruch des Films her um die beiden großen Institutionen geht, hat die katholische Seite größeres Gewicht – nicht nur, weil Guttenberg selbst katholisch ist und zum Teil verwandtschaftlich eng verbunden mit der Kirche.
Doch anders als in seiner ersten RTL-Doku zu Wladimir Putin, über die Kritiker spotteten, man wisse gar nicht, wer wichtiger sei – der russische Präsident oder sein deutscher Besuch – hält sich zu Guttenberg diesmal stärker zurück. Dafür lässt er Fakten und vor allem Menschen sprechen, etwa über die Besitztümer des Klerus. Dass die beiden großen Kirchen in Deutschland die größten nicht-staatlichen Arbeitgeber in der EU sind, erfährt man ebenfalls. Und auch, dass das Erzbistum Paderborn mit rund sieben Milliarden Euro das reichste in Deutschland ist – während die Bistümer im Osten nichts auf der hohen Kante haben.
Doch insgesamt sind es weniger diese irdischen als vielmehr die theologischen Themen, die im Mittelpunkt stehen: Sexualmoral, die Frage nach Zölibat und Frauenpriestertum und nach der kirchlichen Hierarchie.
Um die zu erleben, fährt zu Guttenberg nach Rom – und natürlich ist es Ex-„Bild“-Mann Andreas Englisch, den er als „Vatikan-Insider“ vor die Kamera holt. „Machtkämpfe werden im Vatikan völlig offen ausgetragen, da ist nichts Christliches“, verkündet Englisch, der seit 1987 den Päpsten auf den Ring Petri guckt. Und da der Papst andere Sorgen habe und internationaler denke, sei der Reformprozess des Synodalen Wegs in Deutschland „völlig sinnlos“. Zu Guttenberg bleibt dabei stumm, für Widerspruch ist im Film interessanterweise Günther Jauch zuständig, dem die zuständige Produktionsfirma bis vor Kurzem gehörte. Er füllt diesen Part überzeugend aus. Überhaupt liefert hier RTL ein differenziertes, im besten Sinne gut konsumierbares Plädoyer für eine Reform der (katholischen) Kirche an Haupt und Gliedern. Zu Wort kommt eine interessante Mischung von Gesprächspartnern: Missbrauchsopfer und Transmenschen, die um ihre Zukunft als Lehrer für katholische Religion fürchten; Passaus Bischof Stefan Oster und Gregor Gysi (Linke) – und eben die bereits erwähnte Jacqueline Straub, die sich zur Priesterin berufen fühlt.