Ein Denkmal für den Kaiser

von Redaktion

Die ARD dokumentiert in 90 Minuten das Leben von Franz Beckenbauer

VON GÜNTER KLEIN

Walter Beckenbauer, der ältere Bruder von Franz Beckenbauer, sagt, es wäre gelogen, wenn er verkündete, dem Franz gehe es gut. Wenn er über ihn spricht, rutscht er in die Vergangenheitsform und korrigiert sich dann ins Präsens, denn noch gibt es ihn ja. Aber man hat die Nachrufe schon im Kopf – und der 90-minütige Film „Beckenbauer“, den die ARD am 8. Januar ausstrahlt und vorab am 2. Januar in die Mediathek stellt, ist nahe dran. Es geht um das Vermächtnis des Mannes, der der Fußball-Kaiser und die Lichtgestalt war, um das Bild, das von ihm bleiben wird. Deswegen tauchen vor der Kamera von Regisseur Michael Auer Menschen auf, die es bislang vermieden haben, sich zu äußern, weil die Geschichte rund um die WM 2006 – war das „Sommermärchen“ gekauft? – weiter vor sich hin schwelt.

Marcus Höfl, der Manager, will die Schwächen Beckenbauers nicht ausblenden. Der Satz, in Katar habe er keinen Sklaven gesehen – „ein Fehler“, zu viel der Franzschen Flapsigkeit. „Er war halt kein Businessman“, kommentiert Höfl Beckenbauers Verteidigungslinie, er habe als Chef des WM-Organisationskomitees in den Nullerjahren vieles blanko unterschrieben. „Es war ein Fehler, dass er in eine operative Rolle gegangen ist.“ Aber er sei ein guter Mensch, oft spontan in der Kirche gewesen (Begründung: „Wir beten für nix, wir bedanken uns nur noch“).

In einem Horoskop habe Beckenbauer gelesen, dass er „zehn schwierige Jahre“ vor sich habe – Höfl: „Eine tragische Erinnerung, er hat damit leider Recht gehabt.“ Seit 2015 gibt es kein Glück mehr in Beckenbauers Leben. Sein Sohn Stefan starb, die Enthüllungen des „Spiegel“ kamen auf den Markt, gesundheitlich ging es dahin: mit zwei Herzoperationen. Auf einem Auge ist er fast blind.

Die befragten Zeitzeugen meinen es gut mit ihrem Franz: einstige Mitspieler wie Sepp Maier, Paul Breitner, Günter Netzer. Für sie ist er der Freund, mit dem sie Anekdotisches verbinden. Breitner: „Es gab Fotos von ihm am Flügel und auf dem Pferd, obwohl er weder Klavier spielen konnte und wollte, noch reiten.“

Politische Wegbegleiter relativieren die Zeichen der dunklen Seite. Wolfgang Schäuble, gerade verstorben, hinterlässt als Einschätzung zur Causa 2006: „Die Skandalisierung erscheint mir übertrieben.“ Joschka Fischer: „Ich habe nie einen Heiligen in ihm gesehen.“ Am kritischsten ist Bruder Walter, der in den Siebzigerjahren von Franzens Manager Robert Schwan auf Distanz gehalten wurde: „Schwan war der Schlimmste, der in unserer Familie aufgetaucht ist. Eine Annäherung war nicht mehr möglich.“ Nach dem Wechsel des Star-Bruders zu Cosmos New York hatten die Beckenbauers im Central Park endlich Gelegenheit zur Aussprache.

Der Film arbeitet Beckenbauers Leben strikt chronologisch ab. Man sieht wenig Neues, alles wurde schon mal gezeigt: Wie er für die Werbung Suppe löffelt, wie er singt, wie er zu den Wagner-Festspielen reist. Der Einfluss seiner Frauen, die alle elf Jahre wechselten (bis auf Heidi, die letzte Beziehung). Wie Diane Sandmann als Freundin, die die erste Ehe mit Brigitte zerstörte, öffentlich wahrgenommen wurde, erzählt sie mit präziser Offenheit: „Meine Gemüsefrau hat mir nichts mehr verkauft – weil einer Hure verkauft man nichts.“

Der Film erzählt auch ein wenig von der Geschichte der Bundesrepublik. Von der Prüderie – und wie sie einer Weltoffenheit weicht. Es wird nicht langweilig, die Story fließt mit ihren vielen Wiedererkennungs-Elementen dahin. Aber die Musik nervt. Ein permanent fetzender Helden-Soundtrack – auch dort, wo der Film Stille bräuchte.

Und – was steht nun am Ende, was ist das Resümee dieses filmischen Porträts? Der Dramatiker Albert Ostermaier, der rund um die WM 2006 dem Mainstream durch seine Beschäftigung mit Fußball bekannt wurde, sagt: „Die Schönheit, wie er den Ball am Fuß hat, sollte bleiben.“ So wird es wohl kommen, der Film „Beckenbauer“ geht nicht entschieden über den Was-sonst-noch-war-Pflichtteil hinaus.

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