Mit Gegenwind

von Redaktion

Nach mehr als zehn Jahren läuft „Morden im Norden“ erstmals in Spielfilmlänge in der ARD

VON ULRIKE CORDES

Fans des Regionalkrimis „Morden im Norden“ im Ersten müssen heute um 20.15 Uhr gute Nerven haben. Zum einen präsentiert die ARD zu den bislang 140 beliebten Vorabendfolgen erstmals einen Spielfilm im Hauptprogramm. Einen echten Thriller, in dem selbst die Ostsee stürmisch tobt. Und dann beginnt „Am Abgrund“ zum anderen auch noch mit Ereignissen, die das Ende der Zusammenarbeit zwischen den beiden bodenständigen und gewitzten Lübecker Kommissaren bedeuten müssten.

Im Zentrum der 90 Minuten steht nämlich ein Fall, der für die Ermittler Finn Kiesewetter (Sven Martinek) und Lars Englen (Ingo Naujoks) ans Eingemachte geht – den Darstellern erging es bei den Dreharbeiten nicht viel anders: „Die Geschichte dreht sich um persönliche Belange der zwei Polizisten. Wir sind diesmal nicht nur die Ermittler, die von außen dazukommen. Sondern wir ermitteln in deren eigener Sache. Müssen uns also mit deren Gefühlen und Gedanken in besonderem Maße auseinandersetzen“, sagt der 59-jährige Martinek. „Das war auch für uns Schauspieler eine ganz andere Geschichte. Es war seelisch also durchaus anstrengend.“

Naujoks ergänzt: „Unsere Frage bei Dreharbeiten ist ja immer, was macht das Geschehen mit den Figuren – und mit uns. Da kommen auch persönliche Erinnerungen und Erfahrungen hoch. Man muss beim Spielen bereit sein, sich als Mensch hineinzubegeben und mitzufühlen.“

Doch worum geht es in „Am Abgrund“ tatsächlich? Der Fall beginnt mit einem Hammerschlag, der hier nicht verraten werden soll. Rückblenden zeigen dann eine Geiselnahme. Kiesewetter und Englen, die zufällig in der Nähe sind, nehmen die Verfolgung auf. Im Parkhaus spitzt sich das Geschehen zu – bis es zum Äußersten kommt. Das Verbrechen hat Folgen auch für das private Wohlergehen der beiden Kommissare. All das hat Regisseur Dirk Pientka, der bereits fast 30 Episoden der Serie in Szene gesetzt hat, nach dem Skript von Christine Rousseau zwischen Lübeck und der Insel Fehmarn versiert und spannend in nordisch herbe Bilder umgesetzt. Ein wenig mehr Vertiefung hätte man der guten Geschichte allerdings doch gewünscht.

Einen Spielfilm zur Primetime um 20.15 Uhr haben im Übrigen etwa auch schon die Macher von „Die Bergretter“ im ZDF realisiert. Der Vorteil für die Sender liegt dabei auf der Hand: So lässt sich die Zuschauerzahl um Fans der Serie, bei der pro Folge bis zu 3,8 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer einschalten, erhöhen – und andererseits wird das Publikum, das gewohnheitsgemäß abends schaut, neugierig auch auf das Vorabendprogramm gemacht.

Sowohl bei „Am Abgrund“ als auch bei der Serie haben Martinek und Naujoks übrigens immer mal wieder Einfluss auf die Drehbücher genommen. Vor allem auf die Sprache ihrer Rollenfiguren. „Wir verknappen unsere Dialoge gern – wenn wir sehen, dass wir mit zwei Sätzen viel prägnanter sind als mit sieben. Dann sagen wir: So würde Finn Kiesewetter nicht reden, so redet Lars Englen nicht. Und dann streichen wir – mit dem Segen unserer Autoren“, berichtet der 61 Jahre alte Naujoks. „Die sind ja im positiven Sinne Schreibtischtäter. Aber wir müssen die Rollen zum Leben erwecken. So ein Eingriff macht total Bock – und unterscheidet uns von Schauspielbeamten.“

Dank ihrer Zusammenarbeit mit den Autoren seien auch die Folgen der neuen Staffel, die am 8. Januar um 18.50 Uhr startet, ernster geworden, meinen die beiden Schauspieler. „Doch wie immer geht es dabei nicht um Kokaindealer oder Terrororganisationen, sondern eher um Vorfälle im familiären Bereich. Also vorrangig um Menschen, um Schicksale. Wo Leute im falschen Moment am falschen Ort sind und sich dadurch ihr ganzes Leben ändert“, erklären Naujoks und Martinek das Erfolgsrezept von „Morden im Norden“.

Die Hauptdarsteller nehmen Einfluss auf die Drehbücher

Bis zu 3,8 Millionen Menschen schalten pro Folge ein

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