Lechzen nach dem großen Geld

von Redaktion

„TATORT“-KRITIK Der Kölner Fall „Pyramide“ taucht tief in die Welt der windigen Finanzen ein

VON KATJA KRAFT

Dieser „Tatort“ fordert vom Publikum starke Nerven. Dafür brauchen die Macher um Regisseurin Charlotte Rolfes sowie die Drehbuchautoren Jan Martin Scharf und Arne Nolting weder viel Kunstblut noch spektakuläre Verfolgungsjagden. Das Milieu, in das sie uns in der neuen Folge aus Köln mitnehmen, ist nervenaufreibend genug. Diese testosteronübersättigte Finanzwelt, in der alle nach dem großen Geld lechzen – und dafür nicht nur sprichwörtlich über Leichen gehen.

„Superfuckingprofitabel“ seien die Produkte, die seine Investmentfirma verkaufe, verspricht Christopher Komann (Robin Sondermann) allen neuen Mitarbeitern. Sondermann gelingt es, sich genau in die Art von Typen zu verwandeln, die komplexbehaftete Geister mit großspurigen Worten und vorgeführtem fettem Lebensstil dazu bringen, ihnen marionettenhaft zu folgen. Glatt, sportlich, gepflegt; dabei von skrupelloser Überheblichkeit ist Komann. Man nimmt ihm ab, dass ein unsicherer Kerl wie Andrè Stamm (Rouven Israel) sich von so einem einlullen lässt. Und einsteigt in ein Schneeballsystem, bei dem nur einer trocken bleibt: der Chef. Alle anderen werden eiskalt abgewatscht.

In mehrere Kapitel hat Rolfes ihren sehenswerten Krimi unterteilt – von der Versuchung bis zum doppelt tragischen Schluss. Um in Rückblenden nachzuzeichnen, wie das möglich ist, dass Stamm, der bei der Arbeitsvertragsunterzeichnung doch noch skeptisch das kaum vorhandene Festgehalt hinterfragt hat, sich immer weiter hineinziehen lässt in die Hochrisiko-Geschäfte und dafür sogar seine Großmutter verkauft. Durch Vertrauensleute wie Robert „Rocko“ Andersen (Oleg Tikhomirov) lässt Andrè sich blenden, dem „Rocko“ aufmunternd auf die Schulter klopft: „Es gibt nicht viele große Chancen im Leben, aber das ist definitiv eine davon.“

Viele solcher Phrasen fallen. Das ist keine Drehbuchschwäche – sondern trifft den Ton von realen selbst ernannten Motivations-Coaches, die etwa auf Youtube ihre kruden „So wirst du zum Gewinner!“-Parolen in die Welt krakeelen. Hübsch, wie sich die gewohnt unaufgeregten Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) davon so gar nicht beeindrucken lassen. Etwa wenn eben dieser Komann sie bei den Ermittlungen provoziert: „Ich merk schon, ihr seid nicht so die ,Typen hungrig‘“, kontern die alten Hasen im Geschäft nur trocken: „Nee, wir sind die Typen, die ‘n Fall zu lösen haben.“

Dessen Auflösung ist am Ende hammerhart. Ausgerechnet diejenige, die nicht gierig und käuflich ist, verliert. Und der wahre Verbrecher lacht sich eins. Auch dies: leider sehr nah am echten Leben.

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