Es gibt eine Szene im Ludwigshafener Tatort „Leonessa“, der am 8. März 2000 erstmals ausgestrahlt wurde, da betritt Ulrike Folkerts alias Lena Odenthal eine Kneipe. An der Bar sitzt ein junges Mädchen, das kurz darauf das Lokal verlässt, und die Kommissarin fragt die Kneipenwirtin, ob denn eine Raucherkneipe ein geeigneter Ort für eine Minderjährige sei. Die Frau hinter der Theke antwortet, es sei besser, die jungen Leute würden sich hier aufhalten, „als draußen rumzuhängen und sich irgendwelche Drogen reinzuziehen“.
Ein Beispiel von vielen, Rauchen ist im Film wieder weit verbreitet. Die Initiative Rauchfreie Filme zählt seit vielen Jahren die Rauchszenen im deutschen Fernsehen und Kino. Demnach sind beispielsweise nur 24 Prozent der „Tatort“- beziehungsweise „Polizeiruf 110“-Folgen rauchfrei. Mal raucht der Bösewicht, mal ist es der Kommissar selbst – aktuell beispielsweise Wotan Wilke Möhring als Hamburger Ermittler Thorsten Falke. Und auch in 143 der 170 untersuchten Kinofilme griffen Akteure zur Kippe, unabhängig von der Altersbeschränkung.
Das Revival des Rauchens, das eine Zeit lang in Film und Fernsehen so gut wie gar nicht vorkam, ist fatal, wie Forscher warnen. Rund 20 Prozent aller Krebserkrankungen pro Jahr gehen auf das Rauchen zurück. Ausschlaggebend, ob jemand mit dem Rauchen beginnt, ist das Umfeld. „Ein entscheidender Faktor ist die Peergroup, also der Freundeskreis. Auch wenn Eltern rauchen, erhöht das die Wahrscheinlichkeit“, betont Katrin Schaller vom Krebsforschungszentrum Heidelberg. Zwar gilt – nach jahrelangen Verzögerungen – in Deutschland ein weitgehendes Werbeverbot für Tabakprodukte und E-Zigaretten. Beeinflussung findet trotzdem statt. Zum Beispiel am Verkaufsort, wo Werbung nach wie vor erlaubt ist, oder über die Sozialen Netzwerke, ein Graubereich, der sich nur schwer kontrollieren lässt.
Daneben spielen klassische Medien wie Fernseh- oder Kinofilme eine große Rolle. Gequalmt wird dort nämlich weiterhin, und das Risiko, dass sich junge Zuschauerinnen und Zuschauer davon animieren lassen, ist groß. „Wir haben durch Studien belegt, dass sich die Wahrscheinlichkeit, mit dem Rauchen zu beginnen, erhöht, wenn Jugendliche viele Filme mit Rauchszenen gesehen haben“, erklärt Reiner Hanewinkel vom gemeinnützigen Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel.
Bereits vor Jahren hat der Forscher gemeinsam mit Wissenschaftlern aus den USA den Zusammenhang zwischen Konsum von Filmen, in denen geraucht wird, und dem eigenen Verhalten untersucht: „Rauchszenen vermitteln den Eindruck, dass es normal ist zu rauchen, dass es dazugehört.“ Zudem können solche Filme wie ein Trigger wirken. „Wer versucht, sich das Rauchen abzugewöhnen, kann durch Hinweisreize dazu animiert werden, sich selbst wieder eine Zigarette anzustecken“, betont Hanewinkel.
Deutschlands Filmschaffende halten Rauchszenen indes für unverzichtbar. „Rauchen kann in bestimmten Fällen ein wichtiges dramaturgisches Mittel der Figurencharakteristik sein“, heißt es etwa von der ARD. Zugleich betont man beim Senderverbund, dass die Szenen so gestaltet seien, dass sie Kinder und Jugendliche nicht zur Nachahmung anregten oder Tabakkonsum als positiv dargestellt werde. Mit Blick auf den „Tatort“ argumentieren Rundfunkanstalten der Länder, dass die Krimiserie die Gesellschaft abbilde – „und zu dieser gehören Menschen mit unterschiedlichen Vorlieben, unterschiedlichen Gewohnheiten, unterschiedlichen Lastern“.
Ein Laster, das jedes Jahr fast 127 000 Menschen das Leben kostet. Wer einmal mit dem Rauchen angefangen hat, kommt schwer davon los. Gerade junge Menschen unterschätzen die Gefahr einer Abhängigkeit. „Jugendliche leben in dem Glauben, sie könnten einfach aufhören“, sagt Katrin Schaller. Ein Irrtum.
Was im Übrigen den eingangs erwähnten Ludwigshafener „Tatort“ angeht, erklärt Ulrich Herrmann, zuständiger Redaktionsleiter Tatort beim verantwortlichen Südwestrundfunk, sich „nach Kräften“ zu bemühen, Rauchszenen zu vermeiden – wie überhaupt alles vermieden würde, was einen unguten Einfluss auf das Publikum haben könnte. Aber schließlich gebe es in jedem Krimi auch Tote. „So bedauern wir, in unseren ,Tatorten‘ an den Anfang einen Mord stellen zu müssen. Lieber würden wir ihn ohne erzählen“, so Herrmann augenzwinkernd, „aber wie?“