Brutal daneben

von Redaktion

„TATORT“-KRITIK Der Stuttgarter Krimi über eine verbrecherische Sippe scheitert an politischer Korrektheit

VON RUDOLF OGIERMANN

Kriminelle Clans, in denen Straftaten sozusagen Tradition haben über Generationen hinweg – Realität auch in Deutschland. Solchen Strukturen widmet sich Drehbuchautor Sönke Lars Neuwöhner in diesem Stuttgarter „Tatort“ (ARD). Strukturen wie aus dem Bilderbuch der Kriminologie, mit dem jüngsten Spross im Zentrum, dessen Minderjährigkeit ihn vor Strafverfolgung schützt zum Nutzen der bösen Verwandten. Das hätte ein guter, relevanter Film werden können, doch die Macher hatten die Schere der politischen Korrektheit im Kopf.

Anstatt die authentischen Milieus, arabische oder osteuropäische (Familien-)Banden abzubilden, erdachten sie in „Zerrissen“ eine schräge Sippe mit den Namen Ellinger (!) und Maslov, in der nichts, aber auch gar nichts stimmt, noch nicht einmal der Dialekt. Ein harmloses Kaffeekränzchen mit einer Großmutter (Maria Mägdefrau), die mal angestrengt schroff, mal sentimental ist, einem Vater (Urs Rechn), der im Knast ein bisschen herumpoltert, und zwei „Cousins“, der eine cool (Nils Hohenhövel), der andere brutal (Oleg Tikhomirov). Eine Amateurtruppe, bei der man sich mehr als einmal im Lauf der 90 Minuten fragt, warum die Polizei sie nicht längst zerschlagen konnte.

Die Mühe, der Geschichte einen sozialkritischen Touch zu geben, beispielsweise im Ringen der Betreuerin (Caroline Cousin allzu angestrengt aufsässig) um den gefährdeten Jungen, wird in jeder Minute spürbar, schlägt sich in den Dialogen nieder, in denen immer wieder von „Vertrauen“ die Rede ist. „Wir sind deine Familie“, „Du kannst mir alles sagen“- Phrasen, die schon bald nur noch hohl klingen.

„Zerrissen“, der 32. Fall der Stuttgarter Ermittler, gibt den Schauspielern kaum Möglichkeiten, sich zu profilieren. Sie müssen vor diesem schlechten Buch, an dem Regisseur Martin Eigler mitgeschrieben hat, kapitulieren. Richy Müller und Felix Klare als Kommissare Thorsten Lannert und Sebastian Bootz ziehen sich dabei mit ihrer ganzen Routine noch recht gut aus der Affäre, auch Louis Guillaume schlägt sich als David mehr als respektabel, kann den Druck, den seine Figur aushalten muss im Kampf, mit der Tradition zu brechen, glaubhaft machen. Immerhin.

Kein Krimi-Macher muss das heikle Sujet Clankriminalität bearbeiten – wenn er es dennoch tut, dann aber bitte nicht so.

Artikel 2 von 2