Caren kann’s besser

von Redaktion

FERNSEHKRITIK Beim neuen Polittalk am Sonntagabend im Ersten ist noch Luft nach oben

VON RUDOLF OGIERMANN

Wie nervös sie war, vernahmen die Zuschauerinnen und Zuschauer – gute 4,4 Millionen waren es – erst ganz zum Schluss. „Ich darf mich begrüßen!“, sagte Caren Miosga da, eigentlich wollte sie sagen: „Ich darf mich bedanken!“ Besonders hohes Lampenfieber gehört eben dazu bei einer Premiere wie dieser, davor war auch die 54-Jährige am Sonntagabend im Ersten nicht gefeit.

„Caren Miosga“ ist – das wurde von der ersten Sekunde an klar – zum Glück nicht „Anne Will“ mit einer neuen Moderatorin. Keine Arena, keine Politikerinnen und Politiker in bequemen Sesseln, die reihum ihre routinierte Rhetorik präsentieren dürfen, stattdessen ein Tisch, der ausstrahlt, dass hier konstruktiv gesprochen werden soll. Und „im Idealfall“, wie es vorab hieß, ein Einzelgespräch zu Beginn. Gelegenheit, den Gesprächspartner zu stellen, nachzufassen, wenn’s sein muss, nachzu- bohren.

Eine Chance, die Miosga bei CDU-Chef Friedrich Merz (noch) nicht optimal nutzte. Das mag auch mit dem Thema zu tun gehabt haben. „Merz richtet die CDU neu aus – Wird Deutschlands Zukunft konservativ?“ wirkte angesichts der Bilder von den Massendemonstrationen gegen die AfD etwas akademisch, um nicht zu sagen inaktuell. Und so beantwortete Merz naheliegende Fragen wie „Teilen Sie die Ängste der Menschen?“ artig („Das Erstarken der AfD ist eine Herausforderung für alle in der Mitte der Gesellschaft.“), entschuldigte lächelnd seine eigene Abwesenheit („Ich war auf dem Weg nach Berlin!“), verwies stattdessen (fälschlicherweise) auf die Teilnahme von CSU-Chef Markus Söder, ohne dass die Moderatorin hier nachgehakt hätte.

Die langjährige „Tagesthemen“-Frau wirkt spontaner, direkter, herzlicher als ihre Vorgängerin, ihr Gegenüber in seiner angestrengten Lockerheit vermochte sie damit nicht zu knacken. Da half auch Kumpelhaftes wie „Sie können es ruhig sagen!“ und die Ankündigung „Ich versuche es noch einmal!“ zur Frage, ob Merz als Unions-Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf zieht, nicht. Das Requisit der schwarzen Schreibtischlampe konnte ihn ebenfalls nicht aus der Reserve locken.

Zu oft durfte der 68-Jährige ausweichen, etwa, als es um das neue Parteiprogramm ging oder um die Frage, ob es eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD auf kommunaler oder auf Länderebene gebe. Kein Schulterschluss mit der Linken in Thüringen, wenn sich damit AfD-Mann Björn Höcke verhindern lässt? „Das wird im Land entschieden“, rettete sich Merz – und Miosga ließ es zu.

Dass die Diskussion dann doch noch etwas substanzieller wurde, war nicht zuletzt den beiden Mitdiskutanten zu verdanken, „Zeit“-Redakteurin Anne Hähnig und Soziologe Armin Nassehi. Vor allem Letzterer steuerte interessante Diagnosen bei, etwa zur Empfindung des „Kontrollverlusts“ auf vielen Politikfeldern, wofür es, erstaunlich selten in dieser ersten Sendung, Applaus vom Publikum gab. Auch Hähnig konnte punkten, bevor ihr ein etwas unprofessionelles „Ich meine es gar nicht böse“ entfuhr.

Alles in allem ein vielversprechendes Debüt, auch wenn die Macher noch nachbessern müssen, bei den Einspielern beispielsweise, damit Gäste – welcher Couleur auch immer – künftig nicht unwidersprochen „Das habe ich nie gesagt!“ sagen können.

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