Neue Kulisse, neue Musik mit mehr harten Beats, ein Gastgeber mit neuer Frisur, aber ein Plätzchen für Sahra Wagenknecht. Ohne eine (Reiz-)Figur wie die Ex-Linke kommt wohl auch das frische Produktionsteam von „Hart aber fair“ nicht aus. Alles beim Alten also beim runderneuten Polittalk am Montag im Ersten? Hauptsache kontrovers?
Ja und Nein. Das neue Studio in Blautönen mit zwei getrennten Tresen für Politiker und Bürger soll für den Dialog auf Augenhöhe sorgen, ist insofern eine gute Idee, ebenso die Funktion des Moderators, der sich frei im Raum bewegt und so die Diskussion noch aktiver steuern kann. Louis Klamroth ist dafür prädestiniert, er bespielte die Arena am Montagabend vor 2,43 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern souverän. Schade nur, dass – ausgerechnet – das Publikum ein wenig in die Ecke, ins Halbdunkel gedrängt wirkt.
„Die Stimmen der Bürgergäste bekommen einen noch größeren Stellenwert“, versprachen die Macher. Das funktioniert, sofern die den Profis rhetorisch gewachsen sind. Die selbstständige Friseurmeisterin Zuhra Visnjic erfüllte diese Anforderung nur zum Teil, formulierte zu oft Sätze wie „Ich habe Angst“, „Es wird alles teurer“ und „Der Arbeiter wird nicht mehr geehrt“. Nur einmal traf, dem alten Motto gemäß, „Politik auf Wirklichkeit“. Als die anwesenden Parlamentarier unisono eine Erhöhung des Mindestlohns charmant fanden. „Dann muss ich jemand entlassen“, beschied sie Visnjic. Ganz und gar enttäuschend Unternehmerin Tijen Onaran, die sich auf den nur wenig variierten Appell „Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen“ beschränkte.
Und die Politiker? Agierten erwartbar und gemäß dem Thema „Wut, Proteste, neue Parteien – Wer hält unser Land noch zusammen?“ Für SPD-Mann Carsten Schneider als Vertreter einer Regierungspartei ist, was sonst, „die Lage besser als die Stimmung“, CDU-General Carsten Linnemann signalisierte, was sonst, er nehme die Sorgen der Friseurmeisterin ernst, forderte, ganz Oppositionspolitiker, Reformen beim Bürgergeld und „Bürokratieabbau“. Und sah sich dabei in einer Koalition mit Wagenknecht, die noch drastischer formulierte: „Vielen geht’s dreckig!“ Wer will ihr da widersprechen?
Klamroth tat’s, unterbrach sie öfter als die anderen beiden und schien damit ein bisschen sein Gewissen beruhigen zu wollen, sie eingeladen zu haben. Im Clinch mit der frischgebackenen Parteigründerin zeigte der 34-Jährige zumindest punktuell, wie’s geht – und auch Linnemann ließ er mal kurz schlecht aussehen. Die Union wolle ja die Strafen für Straßenblockaden verschärfen, so Klamroth mit Blick auf die Bauernproteste. „Nee, da geht’s um die Klimakleber“, kam es vom CDU-Mann unter dem Gelächter des Publikums.
Erkenntnisgewinn? Am ehesten durch den Soziologen Nils Kumkar und die Aktivistin Maria Fichte. Es könne doch auch sein, so Fichte mit Blick auf Wagenknechts Deutung als Aufstand der Abgehängten, dass die vielen Demonstranten in diesen Tagen nicht gegen, sondern für etwas seien – für Vielfalt beispielsweise, für die Bereitschaft, Politik mitzugestalten.
Frank Plasberg kann sich beruhigt zurücklehnen – auch angesichts der nicht gerade exorbitanten Quote. Sein Nachfolger hat das Rad nicht neu erfunden, allenfalls neu designt.