„Eine andere Körperlichkeit“

von Redaktion

Die Münchner Schauspielerin Jule Ronstedt spielte im BR-„Tatort“ eine frustrierte JVA-Beamtin

VON STEFANIE THYSSEN

Ist sie es, oder ist sie es nicht? Viele Zuschauer dürften sich das gestern Abend gefragt haben, als sie Jule Ronstedt als JVA-Beamtin Anja Bremmer im Münchner „Tatort“ gesehen haben. Die 52-Jährige hatte sich für die Rolle optisch derart verändert, dass sie kaum wiederzuerkennen war. Aber sie, die uns einst als Lehrerin in „Wer früher stirbt ist länger tot“ (2006) verzauberte, die die Titelrolle in der BR-Serie „Franzi“ spielte (2009 bis 2012) und in vielen, vielen weiteren Produktionen fürs Kino, Fernsehen und Theater zu sehen war – sie war es wirklich.

Anja Bremmer also. Eine verbitterte, verhärmte, vom Leben gezeichnete Figur voller Frust und Resignation. „Sie sollte auf jeden Fall keine attraktive Frau sein“, erklärt Jule Ronstedt im Gespräch mit unserer Zeitung. „Sondern eine Frau, die sich selbst nicht ausstehen und in dieser Männerwelt durch ihr Äußeres nicht punkten kann. Aber sie hat andere Mittel…“ Um all das nicht nur mit ihrem Spiel auszudrücken, hat sich die sehr schlanke Jule Ronstedt einen Fatsuit übergestreift, der Bauch, Beine, Po üppiger werden lässt. „Ich musste alle Eitelkeit ablegen und wurde sozusagen ausgestopft“, sagt sie. Das Ergebnis: „Mit ein paar Pfunden mehr bewegt man sich schon ganz anders“, so die Münchnerin. „Man bekommt eine andere Körperlichkeit. Dann noch die Haare schön fettig und ungepflegt – fertig war die Anja Bremmer, die mit sich und der Welt nicht glücklich ist und den Glauben an die Menschheit komplett verloren hat.“

Und das sei durchaus realistisch, sagt Ronstedt, die während der Dreharbeiten, die bei laufendem Betrieb in der JVA Landshut stattfanden, mit „echten Kollegen“ gesprochen hat. „Die Beamtinnen und Beamten erleben im Gefängnis sehr viel aggressive, negative Energie – abgesehen davon, dass auch hinter ihnen jeden Tag das Tor zugeht. Das macht was mit einem.“ Zugestimmt hätten sie der Schauspielerin auch darin, dass viele einen nicht ganz optimierten Umgang mit dem Körper pflegen. „Die, mit denen ich geredet habe, haben mir schon gesagt: ,Ja, das stimmt, wir ernähren uns alle nicht so gesund.‘“ Schichtdienste führten dazu, dass man sich nachts noch schnell Pommes und einen Burger hole.

Für Jule Ronstedt war die Arbeit mit Regisseur Thomas Stiller, mit dem sie schon einige Filme gedreht hat (etwa 2010 das ARD-Drama „Sie hat es verdient“), wieder mal ein Geschenk. „Er hat mich immer gegen den Strich besetzt“, sagt sie. „Bei ihm habe ich nie die sympathische Frau gespielt. Das ist toll. Für mich ist das der Beruf: dass man buchstäblich in eine andere Haut schlüpft. Ich habe das sehr gern gemacht.“ Ihre erste Rolle in einem Münchner „Tatort“ war es übrigens obendrein. „Aber gerne wieder!“, sagt sie. „Das nächste Mal dann vielleicht im Abendkleid.“

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