Kratzer im Lack

von Redaktion

„TATORT“-KRITIK „Geisterfahrt“ ist ein guter Krimi, bei dem es leider die Kommissarinnen aus der Kurve trägt

VON RUDOLF OGIERMANN

Der Druck im Depot, der Druck auf der Straße, nicht zuletzt der Druck der Kunden – auf kürzestem Weg und mit nur wenigen, eindrucksvollen Bildern führt diese Tour in die Katastrophe. Kein klassischer Mord steht hier im Fokus, die Opfer dieser „Geisterfahrt“, so der Titel dieses ARD-„Tatort“ aus Göttingen, waren zur falschen Zeit am falschen Ort. Der Täter, ein junger Rumäne, und die Opfer kannten sich nicht.

Dieser Krimi, in dem es also „nur“ zu klären gilt, ob es sich hier um einen Unfall oder eine Amokfahrt handelt, ist über weite Strecken eine Kritik an den unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Fahrer von Paketdiensten arbeiten müssen, er richtet die Scheinwerfer auf das System, in dem die Verantwortung von oben nach ganz unten durchgereicht wird.

Das ist vermutlich nah an der Realität und ohne viel Pädagogik erzählt, wäre aber allein nicht abendfüllend. Daher hat Autorin (zusammen mit Stefan Dähnert) und Regisseurin Christina Hartmann in diesen Plot einen zweiten Erzählstrang eingezogen, der der Geschichte erst richtig Drive gibt – ein Fall von häuslicher Gewalt, ausgerechnet in der Ehe des Kriminaldirektors. Sehr schön zeigt Hartmann auf, wie die Erpressbarkeit des Chefs die Ermittlungen bremst. Darüber hinaus gelingt es der Regisseurin, abseits aller Klischees die ganze Tragik dieser toxischen Beziehung aufzuzeigen. Das Dreiecksverhältnis zwischen den Ermittlerinnen Charlotte Lindholm und Anaïs Schmitz sowie deren Mann, Rechtsmediziner Nick Schmitz, sorgt für zusätzliche Spannung(en).

Wenn viel über das Privatleben von Kriminalern erzählt wird, braucht’s gute Schauspielerinnen und Schauspieler. Während Bibiana Beglau und Luc Feit als Tereza und Gerd Liebig ihren Figuren Profil geben können (abgesehen von der albernen Idee, Tereza Liebig ausgerechnet rumänische Wurzeln anzudichten), trägt es Maria Furtwängler, Florence Kasumba und Daniel Donskoy aus der Kurve – ihre Konflikte wirken unglaubwürdig und auf das Ende der Zusammenarbeit in Göttingen hin konstruiert. Ein deutlicher Kratzer in einem ansonsten guten Film.

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