Hoch soll er leben!

von Redaktion

INTERVIEW Seit 25 Jahren spielt Harald Krassnitzer den Wiener „Tatort“-Kommissar im Ersten

„60! Bist du deppert“, seufzt Oberstleutnant Moritz Eisner und schaut skeptisch in den Spiegel. Im Wohnzimmer tobt seine Geburtstagsparty, ein rauschendes Fest, das der Moritz mit einer Begeisterung feiert, die Schauspieler Harald Krassnitzer fremd ist. Seit 25 Jahren spielt der Österreicher den Kommissar im Wiener „Tatort“. An diesem Sonntag löst der 63-Jährige um 20.15 Uhr seinen Jubiläumsfall und verrät, warum er nur ungern in die Vergangenheit schaut.

Ein Vierteljahrhundert ist ein ganz schönes Pfund, oder?

Kann ich so nicht sagen, weil mir solche Größenordnungen gar nicht wichtig sind. Ich habe die Rolle damals ja nicht deshalb angenommen, um sie möglichst oft zu spielen und eine Art Meisterschaft zu gewinnen. (Lacht.) Im Wesentlichen ging es darum, dass mir die Konstellation Spaß gemacht hat – und das tut sie bis heute. Ich glaube, es gelingt uns noch immer, gute Geschichten zu erzählen.

Wundert es Sie gar nicht, dass es schon so lange geht?

Doch, in gewisser Weise wundert mich das schon. Aber für mich ist es immer noch so, als hätten wir gerade gestern angefangen, da ist noch viel Lebendigkeit drin. Deshalb tue ich mich mit der Zahl 25 auch so schwer, das löst keine Resonanz in mir aus, um es mal so zu sagen. Der eigentliche Antrieb ist immer der nächste Film, das nächste Projekt – und nie die Tatsache, dass wir schon gefühlt 180 000 „Tatorte“ gedreht haben. (Lacht.)

Sind Sie stolz, dass Sie zu den dienstältesten Kommissaren der Krimireihe zählen?

Mit dem Stolz ist das so eine Sache, weil man ja nie weiß, ob das alles auch wirklich so gelungen ist, was man da gemacht hat. Ich bin jemand, der gerne mit einem Film hadert, auch wenn andere sagen, dass er gut und ein Erfolg war. Ich tu mich immer schwer mit der Einschätzung, dass etwas gut war, was ich gemacht habe. Also stolz bin ich nicht, dankbar aber schon.

Als Sie 1999 angefangen haben, hat man in Österreich noch mit dem Schilling bezahlt und Sie waren ein vergleichsweise junger Mann. Denken Sie gerne an diese Zeit zurück?

Nein, und zwar nicht, weil es keine schöne Zeit war. Sondern weil ich keinerlei sentimentale Gefühle habe, was die sogenannten alten Zeiten betrifft. Wenn man anfängt, von alten Zeiten zu schwärmen, dann schwingt da immer mit, dass man mit der Zeit, in der man gerade lebt, nichts anfangen kann. Außerdem verklärt man die Vergangenheit und das ist ein Narrativ, das keine Wirkungskraft hat und mir nicht gefällt.

Nostalgiker sind Sie also nicht…

Ich fühle mich eher in der Gegenwart zu Hause. Ab und zu schweifen meine Gedanken auch in die Zukunft ab, aber im Wesentlichen interessiert mich nur die Zeit, in der ich mich gerade bewege – und das war schon immer so.

Etwa auf der halben der bisherigen Strecke als Kommissar Eisner ist Adele Neuhauser als Kommissarin Bibi Fellner dazugestoßen. Wie wichtig ist sie für den Wiener „Tatort“?

Sie ist existenziell wichtig. Als die Adele dazukam, wurde das ein richtiges Team, eine Beziehung ist entstanden, und das hat natürlich ganz neue Möglichkeiten des Erzählens geschaffen. Eisner war vorher ja ein einsamer Cowboy, und seit Bibi Fellner dabei ist, muss er sich permanent mit jemandem auseinandersetzen. Das tut ihm gut und mir auch. Die Adele ist für den „Tatort“ ein ganz großes Geschenk.

Die beiden führen eine rein platonische Beziehung, kommen sich im neuen Fall aber auf dem Sofa ziemlich nahe. Geht irgendwann noch einmal was zwischen den beiden?

Ganz klares Nein. Erstens ist es nicht relevant, und zweitens würde es ganz viel von dem wegnehmen, was wir erzählen wollen. Es würde keinen Sinn machen, wenn die beiden ein Liebespaar bildeten, und es würde diese wunderbare Freundschaft mit all ihren Ambivalenzen und dieser ganz besonderen Spannung zerstören.

Sind Sie auch privat miteinander befreundet?

Sind wir, aber ganz anders als der Moritz Eisner mit der Bibi Fellner. Das wäre auch fatal, weil das ziemlich anstrengend für uns beide wäre. (Lacht.) Moritz und Bibi hängen ja oft zusammen, weil sie Berufskollegen sind. Das sind die Adele und ich zwar auch, aber wir haben ja nur während der Dreharbeiten täglich miteinander zu tun. Wir sind schon eng miteinander befreundet, und in gewisser Weise ist jeder von uns eine sichere Bank für den anderen. Also jemand, bei dem man anrufen kann, wenn es mal nicht so gut läuft, und der dann ein offenes Ohr für einen hat.

Das Gespräch

führte Martin Weber.

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