Mädchen für alles

von Redaktion

Schauspielerinnen ab 35 Jahren haben es im Fernsehen schwer – Eine wissenschaftliche Studie belegt das

Verführerische Frau: Veronica Ferres und Joachim Król in „Das Superweib“ (1996). © Sat.1

„Wie alt ist die Schauspielerin in diesem Film eigentlich?“ – Die Frage lässt sich oft gar nicht so leicht beantworten. Ein Mädchen im Teenageralter in einer Serie wirkt oft nicht wie jemand, der gerade noch in seinen Körper hineinwächst. In der neuen „Bridgerton“-Staffel wird die etwa 17-jährige Penelope Featherington von der 37-jährigen Nicola Coughlan verkörpert. Und andersherum funktioniert das auch – im Jahr 2004 spielte etwa die 29-jährige Angelina Jolie die Mutter eines etwa 20-Jährigen im Blockbuster „Alexander“. Stimmt es, dass man eher Frauen einer begrenzten Altersspanne in Film und TV sieht?

Ursula Karven („Stille Post“) kann das bestätigen. Wenn die 59-Jährige an ihre Anfänge zurückdenkt, fand sie manches „idiotisch“. Sie habe beispielsweise eine Staatsanwältin gespielt, „da war ich 28“. Fürs eigene Gefühl wäre sie selbst gerne älter gewesen, um diese Rolle ausfüllen zu können. „Aber da braucht unsere Medienlandschaft noch Zeit, bis sie wirklich die Größe haben, zu erkennen, dass ältere Frauen große Wirkung haben und dass ältere Frauen sexy sind. Diese Realisation könnte noch ein bisschen besser stattfinden“, sagt Karven.

Was Karven beschreibt, wird durch Zahlen bestätigt. So ergab eine Studie der Universität Rostock im Jahr 2021, dass weibliche Hauptfiguren im deutschen Kino mit zunehmenden Alter immer seltener werden. Für Männer gelte dies ab einem Alter von 50, bei Frauen bereits ab Mitte 30. Die Studie wurde unter anderem von der Malisa-Stiftung auf den Weg gebracht, die sich für mehr Chancengleichheit von Mädchen und Frauen einsetzt. Gegründet wurde die Stiftung von Maria Furtwängler und ihrer Tochter. Laut Studie wurden Frauen im deutschen Kino im Kontext von Partnerschaften hauptsächlich als jung und schlank erzählt.

An einer ähnlichen Vorgängerstudie von 2016 hatte die Kommunikationswissenschaftlerin Christine Linke von der Universität Wismar mitgearbeitet und am Buch „Ausgeblendet – Frauen im deutschen Film und Fernsehen“ mitgeschrieben. „Es prägt uns Menschen, wenn wir nur ein eingeschränktes Frauenbild sehen.“ Hingegen werde mit Männerkörpern anders umgegangen: „Während allgemein bei Frauen kritischer aufs Altern geschaut wird, geht es für Männer in den Medien ab 40 meist erst richtig los. Insgesamt sind Männer in allen Altersgruppen in Film und Fernsehen sichtbar. Und Frauen nicht.“

Für die 58-jährige Veronica Ferres sind die Diskrepanzen zwischen dem Alter einer Schauspielerin und dem Alter ihrer Rolle oft reiner Pragmatismus. „Was ich noch verstehen kann, ist, dass 18-Jährige dann 17-, 16-Jährige spielen. Das hat natürlich auch mit der Volljährigkeit zu tun und mit den Gesetzen am Drehort, die einfach zum Schutz dienen. Das macht für Produktionsfirmen oft Sinn“, sagt Ferres. Nicht verstehen könne sie, dass oft Jüngere ältere Rollen spielen.

Jella Haase (31) kennt man als prollige Chantal aus „Fack Ju Göhte“. Sie selbst war schon Anfang 20, als sie in die Rolle der Schülerin geschlüpft ist. In diesem Jahr ist sie noch einmal in der Auskopplung „Chantal im Märchenland“ zu sehen gewesen. „Manchmal macht‘s Sinn, manchmal hilft Lebenserfahrung, eine jüngere Figur zu verkörpern“, sagt sie: „Manchmal aber auch nicht.“ Dass man sich aber mehr und mehr daran gewöhne, dass junge Mädchen reifer wirkten als ihr Alter, liege nicht nur an Filmen. „Die Sehgewohnheit wird ja auch vor allem, finde ich, durch Social Media geändert“, sagte die 31-Jährige. „Wo superjunge Mädchen viel älter aussehen. Das ist schon durchaus kritisch zu bewerten.“

Kommunikationsforscherin Linke kann das auch auf wissenschaftlicher Ebene bezeugen. „In den traditionellen Medien und neuen Medien im Netz findet eine Hypersexualisierung vor allem weiblicher Körper statt, die auch schon bei Kinderkörpern anfängt.“ Linke sieht darin einen besonderen Grund. „In Teenie-Serien und -Filmen wird eher auf Begehrlichkeiten einer jungen Zielgruppe reagiert. Jugendliche streben nach Idolen, sie wollen oft älter und eigenständiger sein. Das ist ganz natürlich, denn in dieser Lebensphase sucht man nach der einen Identität.“ In entsprechenden Serien werde daher ein unrealistisches Bild von Teenagerkörpern geschaffen, so Linke. „Das ist eine Besonderheit dieses Genres und das ist aber trotzdem durchaus zu hinterfragen.“
DPA

Artikel 3 von 3