PORTRÄT

Alles klar, Herr Kommissar!

von Redaktion

„Tatort“-Star Miroslav Nemec wird 70 und blickt zurück auf sein bewegtes Leben

In der kleinen Sendlinger Bäckerei herrscht helle Aufregung. Hinter dem Tresen wird gelacht, getuschelt und mit größter Hingabe eine Leberkas-Semmel drapiert. Immerhin ist die für Münchens „Tatort“-Kommissar Ivo Batic. Seit fast 30 Jahren begleitet er Schauspieler Miroslav Nemec auf Schritt und Tritt – sein persönlicher Bodyguard sozusagen. Nur dass er die Menschen nicht fernhält, sondern mit Handys und strahlenden Gesichtern magisch anzieht. Nemec hat sich dran gewöhnt und genießt die Aufmerksamkeit auch ein bisschen. Schließlich war der Weg von Zagrebs Hinterhöfen zum deutschlandweit bekannten ARD-Ermittler weit.

An diesem Mittwoch wird Nemec 70. Ein Geburtstag, an dem man schon mal zurückblicken und Bilanz ziehen kann: ganz privat im „Lebenslinien“-Porträt, das der BR heute um 22.05 Uhr ausstrahlt, und natürlich im Gespräch mit unserer Zeitung. Aber erst mal geht es um Zahlen: Die 7 vor der Null mache ihm keine Angst, sagt Nemec, aber wenn er sich eine aussuchen dürfe, würde er noch mal die 4 nehmen. „An die Zeit erinnere ich mich gern – das war 1994. Damals hab ich schon den ,Tatort‘ gedreht und jede Menge Serien gemacht. Ich war viel unterwegs in Südafrika, der Karibik und für einen Zweiteiler mit Günter Pfitzmann in Brasilien.“ Freiheit, viel Arbeit, keine Existenzängste. Genau die richtige Mischung für den gebürtigen Kroaten, der als Einwandererkind mit zwölf Jahren nach Bayern kam.

Ein besseres Leben wünscht sich damals seine Mutter für ihn und schickt ihn aus ärmlichen Verhältnissen in Zagreb zur Oma nach Freilassing. Doch weil sich die Eltern nicht einig sind, wird Miro anfangs immer wieder zwischen Ex-Jugoslawien und Deutschland hin- und hergezerrt, leidet unter Heimweh und lernt schließlich, sich durchzuboxen.

Am stärksten prägen ihn die Frauen. „Meine Mutter und natürlich meine Oma, bei der ich aufgewachsen bin und die 95 geworden ist. Wir haben uns ordentlich gefetzt, aber für ihre zupackende Art, ihre Energie und ihre Durchsetzungskraft habe ich sie bewundert. Als mein Opa gestorben ist, wollte sie mit 87 noch den Führerschein machen. Zu alt – das gab es für sie nicht“, lacht Nemec. Was zu kurz kommt, ist die emotionale Nähe. Seine Liebe zeigt das Paar, das Nemec später adoptiert, indem es seine Träume unterstützt. Er studiert am Mozarteum in Salzburg Musik und später Schauspiel in Zürich.

Wie das Leben wohl verlaufen wäre ohne den frühen Abschied von der Heimat? „Nicht so gut, denke ich“, sagt der Wahlmünchner. „Weil wir in Zagreb wirklich wenig hatten und in einer sozialen Schicht lebten, aus der ich nicht rausgekommen wäre – ohne Geld, ohne Beziehungen.“ Kein Klavierunterricht, keine Musik, keine Schauspielerei. „Ja, es wäre alles anders gekommen.“ Eine Erkenntnis, die ihn mit mancher schmerzvollen Erinnerung aussöhnt.

Heute ist Miro Nemec selbst Vater von zwei Töchtern, drei, wenn man seine Ziehtochter Amelie aus der ehemaligen Beziehung mit Schauspielkollegin Janina Hartwig dazuzählt. „Ich weiß noch, dass sie an meinem 40. Geburtstag immer gesagt hat: Der Papa wird heut‘ Pfirsich“, erinnert sich Nemec lächelnd. Mittlerweile ist Amelie erwachsen und als Maskenbildnerin gelegentlich beim „Tatort“ dabei. Was er seinen Kindern mitgeben möchte? „Das Bewusstsein, dass sie nicht allein sind auf dieser Welt. Respekt vor anderen Menschen und ein soziales Verhalten sind mir wichtig. Und dass man was tun muss, wenn man was erreichen will.“

Miro Nemec hat immer was getan. „Ich entspanne mich, wenn ich etwas mache“, sagt er. Grillen, im Garten arbeiten, kochen, radeln, reisen – Ehefrau Katrin hat sich längst dran gewöhnt, dass ihr Mann „nicht einfach nur rumsitzen kann“. Mit ihr hat der TV-Star seine innere Heimat und die emotionale Beständigkeit gefunden, nach der er sich lange gesehnt hat. Sie ist es auch, die ein kleines Fest zum 70. organisiert – nach Nemec‘ „Nibelungen“-Premiere in Passau am 29. Juni. Auch dabei: Kommissar Ivo Batic, der noch vier „Tatort“-Fälle aufklären wird, bevor er als TV-Ermittler in Rente geht. Wieder ein Abschied. Aber keiner, der dem Schauspieler Nemec Sorgen bereitet. „Sentimental wird es erst, wenn die letzte Klappe fällt. Bis dahin genieße ich bis zum Schluss.“ ASTRID KISTNER

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