Spaß an der Analyse: Almuth Schult bekommt für ihren Job als Expertin gute Noten. © PA
Als Torhüterin parierte sie auch eigentlich unhaltbare Schüsse, in der Bundesliga der Frauen hält sie bis heute den Rekord für die meisten Spielminuten ohne Gegentreffer. Doch an Almuth Schult, Europameisterin von 2013 und Olympiasiegerin von 2016, kommt man auch abseits des Platzes nur schwer vorbei. Seit 2021 fungiert sie als ARD-Expertin bei großen Turnieren, auch bei der aktuell laufenden EM der Männer im eigenen Land ist die 33-Jährige im Kader, im Wechsel mit Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger.
Als man Sie gefragt hat, ob Sie Expertin werden wollen, was war da Ihr erster Gedanke?
Mein erster Gedanke? Meinen die das ernst! (Lacht.) Aber als die Verantwortlichen dann gesagt hatten, was sie sich vorstellen, habe ich nicht lange überlegt. Ich hatte schon immer Spaß am Analysieren von Spielen, auch schon in meiner aktiven Zeit. Das können meine Mitspielerinnen und meine Trainer von früher sicher bestätigen. (Lacht.)
Sie sind als ARD-Fußballexpertin ganz allgemein engagiert. Hätten Sie auch zugesagt, wenn man Ihnen gesagt hätte: „Wir hätten Sie gerne, aber bitte nur für die Frauen!“?
Weiß ich gar nicht. Aber ich bin schon froh, dass meine Expertise auch für den Männerbereich gesehen wird. Um ein Spiel, um eine Taktik lesen zu können, muss man Verständnis für diesen Sport haben – und da sehe ich keinen wirklichen Unterschied zwischen Männer- und Frauenfußball. Deswegen würde ich auch jedem ausgewiesenen Experten zutrauen, dass er sich auf beiden Seiten auskennt. Bleibt die Frage, wo man sich ein bisschen wohler fühlt. Und ich merke natürlich, dass ein Frauenländerspiel für mich eine andere Vorbereitung bedeutet als ein Männerländerspiel, weil ich mit den meisten Spielerinnen noch zusammen auf dem Platz stand. Dann muss ich mir nichts extra anschauen, sondern weiß ziemlich genau, wie die ticken. Und so geht es Bastian Schweinsteiger oder Christoph Kramer bei den Männern sicher auch.
Wenn Sie am Mikro sitzen mit dem Haupt- kommentator – müssen Sie da manchmal kämpfen, zu Wort zu kommen?
Nein, überhaupt nicht. Es ist nun mal so, dass der Hauptkommentator oder die Hauptkommentatorin die Führung übernimmt und man auf seinen Einsatz warten muss. Es gibt unheimlich viele Szenen in einem Spiel, zu denen man als Expertin etwas sagen könnte, aber es muss im richtigen Moment kommen, damit man den Zuschauer oder die Zuschauerin nicht überfordert. Und man sollte damit nicht eine Information des Hauptkommentators abgrätschen. Das ist jedes Mal die Challenge, nicht nur im Zusammenspiel, sondern auch für einen selbst. Und man muss aushalten können, dass mal Ruhe ist. Es ist doch unangenehm, wenn jemand 90 Minuten durchplappert.
In Ihrer Funktion bleibt es nicht aus, dass Sie Sportlerinnen und Sportler auch mal namentlich kritisieren. Beschweren die sich hinterher bei Ihnen?
Ein Vorteil ist ja, dass die Spielerinnen und Spieler den Live-Kommentar gar nicht hören. Die wissen gar nicht, ob ich sie kritisiert habe, es sei denn, es wird ihnen später erzählt. Oder es ist auf Social Media ein Thema. Aber – nein, habe ich so noch nicht erlebt, dass mich jemand später angesprochen hat. Aber ich versuche auch, nicht polemisch zu sein, sondern sachlich zu bleiben. Ich finde, dass Kritik fundiert sein sollte. Und wenn sie das ist, dann kann man mit sowas als Spielerin oder Spieler gut umgehen – so war es bei mir auch.
Es wird von Zuschauern ja immer auch Kritik geübt an den Kommentatoren und den Experten – belastet Sie das?
Es ist normal, dass es Menschen gibt, die einen mögen, und solche, die einen nicht mögen. Und so ist es auch bei Kommentatoren und Experten. Ob man ihn oder sie als Person mag, ob man die Stimme mag, ob man mag, wie viel oder wie wenig geredet wird, ob man auf Fakten Wert legt oder auf Emotionen – das ist alles subjektiv. Und sobald Subjektivität hineinkommt in eine Beurteilung, fällt sie unterschiedlich aus. Mir ist es wichtig, dass ich selbst mit mir zufrieden bin, dass mein Umfeld mit mir zufrieden ist und dass meine Auftraggeber bekommen, was sie erwarten. Und wenn das gegeben ist, dann ist mir das, was drumherum passiert, eigentlich relativ egal. Zumal ich Soziale Netzwerke nicht nutze und daher weder Lob noch Kritik mitkriege. Das Gespräch führteRudolf Ogiermann