Sha‘Carri Richardson (li.) und Gabby Thomas im Laufduell – beide sind für die USA am Start. © Netflix
Coach Lance Brauman (re.) und Noah Lyles analysieren die Trainingsläufe. Jedes Detail zählt… © Netflix
Er tanzt gern und liebt es zu rappen. „Ich bin der drittschnellste Mensch, der je gelebt hat“, sagt Noah Lyles mit breitem Lächeln. Und ergänzt selbstbewusst: „Und bald bin ich der schnellste.“ Die neue Netflix-Dokuserie „Sprint“ begleitet den 26-jährigen US-Superstar, seine härtesten Konkurrenten, aber auch weibliche Elitesprinterinnen aus den Staaten und Jamaika, die ein ehrgeiziges Ziel verbindet. Sie alle wollen Rekorde auf 200 und 100 Metern brechen und sich damit einen Moment der Unsterblichkeit in der Sportgeschichte sichern.
Am 26. Juli ist es so weit. Noah Lyles, Sha’Carri Richardson und Shericka Jackson können es kaum erwarten, dass das olympische Feuer nach Paris getragen wird. Sie brennen für einen Sport, der unter Leichtathletik-Fans Rockstar-Status genießt: den Sprint. Keine andere Disziplin bringt mehr Paradiesvögel hervor, pumpt mehr Adrenalin durch die Adern der Zuschauenden. Kostprobe gefällig? Die Netflix-Dokuserie „Sprint“ erkundet in sechs Episoden die Psyche dieser Spitzensportler, zeigt die körperliche Herausforderung, die Opfer, die schier übermenschliche Anstrengung, die nötig ist, um das unmöglich Scheinende zu schaffen.
„Nimm die Knie höher und die Arme mit“, ruft Trainer Lance Brauman. Der Typ sieht aus, als würde er schon zu lange in einem Surfshop jobben: ausgewaschenes T-Shirt, knittriges Gesicht, Baseball-Cap. Kritisch analysiert er das Handyvideo, das er von seinem Schützling Noah Lyles gemacht hat. „An der Stelle, muss dein Bein gestreckt sein. Also noch mal.“ Brauman will Lyles für die 100 Meter fit machen. Eine Distanz, die keine Fehler erlaubt. Es sind Bruchteile von Sekunden, ein schlechter Start, eine kurze Unaufmerksamkeit, und die schweißtreibende Arbeit von Monaten ist futsch.
Noah Lyles trägt derzeit die Weltmeister-Krone mit Bestzeiten über 200 Meter (seine Lieblingsdistanz, 19,69 Sekunden) und 100 Meter (9,88 Sekunden). Doch sie wiegt schwer, die Konkurrenz jagt ihn. Ein Gefühl, das auch Shericka Jackson, Sha’Carri Richardson und Gabby Thomas kennen. Die Netflix-Doku begleitet sie während der Vorbereitungen auf die Leichtathletik-WM 2023, zeigt sie in ihrem privaten Umfeld und im Umgang mit ihren Trainern, die in diesem Sport eine entscheidende Rolle spielen. „Der Coach ist dein engster Partner. Nur wenn du absolutes Vertrauen hast, kannst du auch gewinnen“, erklärt der ehemalige US-Athlet, Olympiasieger und Weltmeister Michael Johnson im Film.
Auch Sprint-Legende Usaine Bolt, dessen Weltrekord über 100 Meter in 9,58 Sekunden von 2009 ungeschlagen ist, ordnet die Leistungen in dieser packenden Serie immer wieder ein. Siege und Niederlagen, Verletzungen und körperliche Topform – „Sprint“ ist eine Dokumentarserie, die ihr Publikum ganz nah an die Athleten ranlässt, große Emotionen einfängt und dabei eine Spannung auf Krimi-Niveau aufbaut. Sie macht Lust auf Olympia und gibt Antwort auf die Frage, wer siegt, wenn alle in Bestform sind. Ganz einfach – nur diejenigen, die bedingungslos an sich glauben.
ASTRID KISTNER