Hoffnung und Verzweiflung

von Redaktion

Die ARD zeigt das eindringliche Demenzdrama „The Father“ mit Anthony Hopkins und Olivia Coleman

Dramatischer Identitätsverlust: Anthony Hopkins zeigt in „The Father“ eine beeindruckende schauspielerische Leistung, für die es einen Oscar gab. © Sean Gleason

Es ist ein stiller Film, aber dafür umso eindringlicher. Und das liegt vor allem an den Hauptdarstellern. Anthony Hopkins glänzt in dem Drama „The Father“ als stolzer, störrischer alter Mann, der zusehends seiner Demenz verfällt und nicht mehr begreifen kann, was um ihn herum passiert. Olivia Colman ( „The Favourite“) als Tochter steht ihm in der Intensität des Spiels in nichts nach. Zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Liebe und Hass changiert ihr Verhältnis zum immer aufsässigeren Vater. Keine leichte Kost, die da am Freitag um 22.20 Uhr im ARD-„Sommerkino“ im Ersten zu sehen ist, aber dennoch mit einer gewissen Leichtigkeit präsentiert – und mit einigen erzählerischen Kniffen.

Der französische Regisseur Florian Zeller, der den Stoff bereits 2012 auf die Theaterbühne gebracht hat, erzählt in seinem Spielfilmdebüt von 2021 die Geschichte von Anthony und Anne nicht strikt chronologisch, nicht kohärent. Er wagt Sprünge, ohne diese anzukündigen. Er präsentiert plötzlich eine andere Schauspielerin (Olivia Williams), die Anne sein soll und die Anthony ebenso wenig als diese erkennen kann wie die Zuschauer. Und er gibt damit einen Einblick in Anthonys von Demenz gezeichneter Wahrnehmung. Hat das Gespräch mit Anne über ihren Umzug nach Paris wirklich stattgefunden? Gab es den Streit mit ihrem Ehemann? Gibt es diesen Ehemann überhaupt? Oder hat sich das nur in Anthonys Kopf abgespielt?

Zeller verzichtet in seinem Drama wohltuend auf medizinischen Fachjargon, auf Analysen in weißen Kitteln, auf Klinikszenen. Er konzentriert sich voll auf seine beiden Hauptfiguren – Anthony, diesen intelligenten, starken Mann, der sich und die Welt herum mehr und mehr verliert. Und Anne, diese liebevolle, aufopferungsvoll um ihren Vater kämpfende Tochter, deren Kräfte langsam schwinden. Er beschreibt damit auf filmdramatische Weise ein Szenario, das sich hunderttausendfach in Familien abspielt. Der schwierige Umgang mit der Demenz eines geliebten Menschen, der unendliche Schmerz darüber, von diesem Menschen nicht mehr erkannt zu werden. Und das Bewusstsein des Betroffenen, von Tag zu Tag mehr seiner Identität beraubt zu werden, sich selbst zu verlieren.

Hopkins spielt all dies mit der ihm eigenen Intensität zwischen Stärke und Verletzlichkeit. Er ist der dickköpfige Patriarch, der gemeine Dinge sagt. Er ist der Charmeur, der die junge Pflegerin beim Whisky zum Lachen bringt. Er ist der verzweifelte alte Mann, der nicht mehr weiß, was um ihn herum passiert. Dabei trägt er selten zu dick auf, vielmehr bewegt er sich gekonnt zwischen diesen Extremen. Für „The Father“ erhielt der damals 83-jährige Brite mehr als verdient seinen zweiten Oscar als bester Hauptdarsteller – nach der ersten Auszeichnung im Jahr 1992 für die Rolle des Serienmörders Hannibal Lecter in das „Schweigen der Lämmer“.
PATRICK T. NEUMANN

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