GASTKRITIK

Doku ohne „Wau“-Effekt

von Redaktion

Netflix liefert mit „Was Hunde denken“ nur wenig Erkenntnisreiches

Emotionale Stütze und Partner – die Doku erklärt, wie Assistenzhunde ausgebildet werden. © Netflix

„Was Hunde denken“ – die neue Netflix-Doku beschäftigt sich mit der Kooperationsbereitschaft von Vierbeinern. © Netflix

In einer Welt, in der zunehmend wieder das Recht des Stärkeren regiert und Aggression als Erfolgskonzept dient, ist das eine wunderbare Erkenntnis: Freundlichkeit trumpft! Wer freundlich ist, wer kooperiert, der wird es weit bringen. Zusammenarbeit als evolutionärer Vorteil: Hunde haben nach diesem Prinzip die gesamte Welt erobert – und die Herzen der Menschen. Ihnen mit ebensolcher Freundlichkeit zu begegnen, so das Resümee der Netflix-Doku „Was Hunde denken“, wäre nur fair angesichts dessen, was Hunde uns täglich zurückgeben.

Aufhänger der Dokumentation, die aktuell beim Streamingdienst Netflix läuft, ist weniger das Hundegehirn als vielmehr die Ausbildung von Assistenzhunden. Sie sollen später Menschen mit Handicap oder psychischen Belastungen unterstützen. Sie lernen Schubladen zu öffnen, eine Panikattacke zu erkennen oder heruntergefallene Gegenstände aufzuheben. Daneben sind sie natürlich emotionale Stütze und Partner. Dass gerade in den USA, in denen tierschutzwidrige Trainingsmethoden leider noch immer an der Tagesordnung sind, hier mal ein fairer Umgang mit dem Hund gezeigt wird, ist erfreulich.

Spannend sind auch die Studienergebnisse zur Problemlösefähigkeit von Hunden: Welpen mit überbehütenden Müttern werden eher zaghaft, wohingegen Abkömmlinge von Hundemüttern, die ihren Nachkommen viel zutrauen, später mehr Selbstständigkeit und Resilienz an den Tag legen.

Die Doku bietet daneben einen Überblick über die Domestikation und die fantastischen Sinnesleistungen der Vierbeiner. Wer sich darüber hinaus tiefgreifende Erkenntnisse erhofft, wird leider enttäuscht. Konzepte wie „Sprechen lernen“ anhand von Buttons mit unterschiedlicher Bedeutung werden nicht wissenschaftlich eingeordnet, was schade ist. Denn letztlich hakt es beim normalen Hundehalter doch meist an der Kommunikation und dem Lesen der hündischen Körpersprache. Die Hunde sprechen permanent, man muss nur lernen, hinzuschauen und zuzuhören – dazu braucht es wahrlich keine „Sprechhilfen“. Dass sich am Ende einer der Experten ausgerechnet wünscht, eine französische Bulldogge zu sein, wäre er ein Hund, macht umso trauriger – kaum eine Hunderasse leidet mehr unter Qualzuchtmerkmalen wie diese.

Der vielversprechende Titel ist also leider eher Blendwerk, ebenso wie die Machart dürftig daherkommt. Schnelle Schnitte, Einblendungen von Filmschnipseln von Social-Media-Plattformen ohne kritische Einordnung und eine nervige Synchronisation machen diese 75 Minuten leider nicht zu einem Highlight für Hundefreunde.
ISABEL BOERGEN

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