INTERVIEW

Die Klimakrise als Komödie

von Redaktion

Regisseur Lars Jessen über seinen neuen Film „Micha denkt groß“

Ausgezeichnet beim Münchner Filmfest: Jan Georg Schütte, Produzentin Maren Knieling, Regisseur Jessen (v.li.). © ARD Degeto

Diese Hitze! Charly Hübner spielt in „Micha denkt groß“ die Rolle als Selfmade-Millionär. © Leidig/dpa

In Klein-Schappleben brennt die Luft. Es ist Sommer in dem sächsischen Dorf, in das Selfmade-Unternehmer Micha zurückkehrt, um aus dem baufälligen Gasthof seiner Eltern ein schickes Wellness-Retreat zu machen – mit riesigem Pool, versteht sich. Doch der Visionär hat seine Rechnung ohne die Dürre und den sinkenden Grundwasserspiegel gemacht. Bald schon liegen die Bewohner auf dem Trockenen und ihre Nerven blank. „Micha denkt groß“ , das neue Improstück von Regisseur Lars Jessen und Jan Georg Schütte, startet heute in den Kinos. Eine Klimakomödie, die bereits im Herbst in der ARD ausgestrahlt wird und auf dem Münchner Filmfest mit dem Bernd-Burgemeister-Preis für ihr gelungenes „Green-Story-Telling“ ausgezeichnet wurde.

Herr Jessen, in welches Genre würden Sie „Micha denkt groß“ packen?

Für mich ist das eine Heimatkomödie.

Aber sind die Themen Wassermangel und Dürre nicht zu ernst, um darüber zu lachen?

Ich würde nicht sagen, dass das die Themen des Films sind. Das Klima ist nicht der Elefant im Raum. Das Klima ist der Raum. Und der Film zeigt, dass unsere Kommunikation in vielen Lebensbereichen nicht mehr richtig funktioniert. Die Art, wie wir uns austauschen, ist schwierig geworden. Dabei ist es so wichtig, dass wir uns verständigen und uns damit auseinandersetzen, wo wir als Gesellschaft hinwollen. In dem Kontext ist Humor und die Möglichkeit, auch mal über die eigene Position zu lachen, sehr befreiend.

Warum ist Ihnen sogenanntes Green-Story-Telling wichtig?

Ich habe ein bisschen ein Problem mit dem Begriff „Green“. Das wirkt immer, als ob es um eine Art Bonusleistung geht. Dabei geht es ja um die Wurzeln. Wenn man Filme erzählt, in denen man so tut, als würden wir noch in den Neunzigerjahren leben, ohne die Veränderung des Klimas, der Umwelt oder des Konsumverhaltens zu berücksichtigen, dann ergreift man auch schon Partei. Nämlich Partei für den Status quo. Und wir möchten uns selbst und unsere Kolleginnen und Kollegen dazu ermutigen, die Realität so zu erzählen, wie sie ist. Dabei gibt es auch gute Geschichten vom Gelingen, und die wollen wir mit Verve und ohne Dogmatismus erzählen.

Dafür haben Sie sogar eine eigene Initiative „Planet Narratives“ gegründet. Was verbirgt sich dahinter?

Wir laden Leute ein, Teil unseres Netzwerks zu sein, machen Workshops, beraten einzelne Projekte. Dabei arbeiten wir mit Psychologen, Wissenschaftlern, Experten. Wir vermitteln andere Perspektiven und verstehen uns als Impulsgeber. Wir brauchen in diesen multi-krisenhaften Zeiten andere Geschichten als klassische Heldenreisen.

Warum?

Die Story vom Mann, der eine Maschine erfindet, die den Drachen tötet, ist nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen an vielen Stellen Löcher stopfen, die Probleme sind vielschichtiger. Dazu gehört für mich, nach den Dingen zu schauen, die klappen. Wenn wir nach Lösungen suchen, finden wir sie. Wenn wir nur nach den Problemen gucken, finden wir die Probleme. Ich will Storys darüber erzählen, dass etwas klappt. Die Fiktion muss positive Visionen aufzeigen, damit die Menschen es sich vorstellen können. In einer Geschichte können wir sozusagen probewohnen in der Zukunft.

Warum hat die Klimakrise in den vergangenen Jahren kaum eine Rolle im fiktionalen Erzählen gespielt?

Ich glaube, viele Leute in unserem Geschäft hatten Sorge, sich da die Finger zu verbrennen, weil das Thema Klimawandel in einen Kulturkampf hineingezogen wurde. Der Ideologievorwurf hat viele ausgebremst. Da begeben sie sich lieber auf sicheres Terrain und erzählen von Mord und Todschlag. Das verfängt besser in unserem Gehirn, das ja noch steinzeitlich geprägt ist. Angst ist unser größter Überlebensgarant gewesen. Deswegen ist unsere Aufmerksamkeit immer da, wo etwas Böses passiert.

„Micha denkt groß“ ist auch eine Impro-Komödie. Wie viel haben Sie dem Zufall überlassen?

Wir haben ein Drehbuch ohne Dialoge geschrieben, das die Schauspieler nicht kannten. Aber wir haben mit ihnen ihre Figuren entwickelt und sie mit Hintergrundinformationen versorgt. Gedreht wurde chronologisch, und vor jeder Szene gab es eine Spielaufgabe für die Schauspieler. Zum Beispiel: Versuche deinem Partner Geld zu schenken.

Dadurch sind die Dialoge im Film sehr authentisch…

Ja, das ist eine magische Arbeitsweise, aber es ist auch riskant und erfordert von allen Seiten viel Mut, sich aufeinander einzulassen. Am Ende ist es ein ständiges Geben und Nehmen – wie in der Ökologie.

„Micha denkt groß“

startet heute in den Kinos. Die Kritik lesen Sie auf Seite 18.

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