INTERVIEW

„Witzbolde muss ich enttäuschen“

von Redaktion

Cordula Stratmann über ihr neues Buch „Wo war ich stehen geblieben?“ und den „Kulturverlust im Miteinander“

„Die Abschaffung von Unmenschlichkeiten lässt neue Unmenschlichkeiten entstehen“: Komikerin und Autorin Cordula Stratmann (61) sieht die Entwicklung der Comedy in Deutschland nicht nur positiv. © Henning Kaiser/dpa

Schlagfertigkeit ist ihr Markenzeichen. Kein Wunder also, dass Cordula Stratmann vor 20 Jahren mit einer Improvisations-Comedy zum Star wurde – der mehrfach preisgekrönten Sat.1-Serie „Schillerstraße“. Doch Stratmann, die außerdem in zahlreichen anderen Serien und Filmen mitgespielt hat, schreibt auch gerne. In ihrem neuen Buch „Wo war ich stehen geblieben? Grübeleien und Geistesblitze“ (dtv-Verlag, München, 240 Seiten, 22 Euro) setzt sich die 61-jährige ausgebildete Familientherapeutin mit den großen und kleinen Fragen des Lebens auseinander.

Was war der Anlass, dieses Buch zu schreiben?

In den vergangenen Jahren hat sich das Miteinander in kleineren Räumen wie Familien- oder Freundeskreisen sowie weltweit stetig aufgeheizt und tut es noch. Mir macht das Sorge, und mein Buch ist der Versuch, meine Fragen und Ideen im Sinne einer Draufsicht beizusteuern. Ich wäre überglücklich, wenn sich Leserinnen und Leser nach der Lektüre bei der Betrachtung anderer eher am Prinzip der Gleichwertigkeit als an dem der Feindseligkeit orientieren würden.

Waren Sie denn schon immer eine Grüblerin?

Darüber muss ich jetzt erst mal nachdenken (Lacht.)

Sie schreiben – oft kurz und humorvoll – über „Cancel Culture“ und „Rassismus“, aber auch über „Trinken“. Ist das Buch eine Orientierungshilfe für alle Lebenslagen?

Über Rassismus oder Cancel Culture schreibe ich, da muss ich alle Witzbolde enttäuschen, weder kurz noch humorvoll, weil ich mich in diesem Buch durchaus ernsthaft zu unserem Kulturverlust im Miteinander äußere. Aber selbstverständlich ist in jeder Betrachtung auch Platz für Humor, weil es ohne ihn ja gar keine Lösungen gibt.

Ist Orientierung notwendiger denn je?

Orientierung ist täglich gleich vonnöten, nur – wer gibt sie, an wem orientieren wir uns, an welcher Idee, welchem Kompass? Unser Grundgesetz hält da sehr gute Antworten bereit.

Sie sind als Komikerin bekannt geworden, arbeiten seit ein paar Jahren aber auch wieder als systemische Familientherapeutin. Vermutlich sind in das Buch Erfahrungen aus beiden Bereichen eingeflossen?

In alles, was ich tue, fließt immer die ganze Cordula ein, das geht bei mir nur so. Wenn mir als Komikerin auf der Bühne etwas Ernsthaftes in den Sinn kommt oder als Therapeutin etwas Komisches, dann stelle ich jeden Fund meinem jeweiligen Gegenüber zur Verfügung. Das, was mich im Zeitraum des Schreibens befasst hat, gebe ich nun in Leserhände. Und grübele schon wieder weiter.

Im Fernsehen haben Sie sich in den vergangenen Jahren rar gemacht – keine Lust mehr auf dieses Business?

Die Gesetzmäßigkeiten, denen ein Arbeiten in Kino oder Fernsehen unterliegt, finde ich als Künstlerin bisweilen mit der Kunst unvereinbar. Das verhindert viele schöne kreative Ideen, die nicht bis zum Publikum gelangen, weil zuvor jemand gesagt hat: „Das funktioniert nicht!“ Auf der Bühne, in Büchern kann ich Angebote machen, die ehrlich gemeint sind – und die Abnahme meinem Publikum überlassen. Und jedes schöne Angebot im Fernsehen nehme ich gerne an, die gibt es auch immer wieder.

„Wo war ich…

…stehen geblieben? – Grübeleien und Geistesblitze“ ist im dtv-Verlag, München, erschienen, hat 240 Seiten und kostet 22 Euro.

Artikel 3 von 3