Mutti hat den Laden im Griff: Nicole Kidman (u. Mi.) spielt die unterkühlte Patriarchin. Deren Mann (Liev Schreiber, hi. 2. v. re.) hat eine Affäre mit der Freundin seiner Schwiegertochter Amelia (Eve Hewson, u. li.). © Netflix
Die Französin weiß natürlich, wie der Hase in der Liebe läuft. „Das Herz will, was es will“, gibt Isabel (Isabelle Adjani) der viele Jahre jüngeren Merritt (Meghann Fahy) mit auf den Weg. Betrug, Untreue – mon dieu! Das Leben eben. Wobei Merritt sowieso der Meinung ist, durch das Verhältnis mit dem künftigen Schwiegervater ihrer besten Freundin Amelia (Eve Hewson) nichts Unrechtes getan zu haben. „Für mich ist es kein Betrügen, wenn es vielleicht eher eine Ausfahrt ist.“ Da kann die Ältere nur lachen: „Hat er Ihnen das etwa gesagt?“ Und dann der lebenskluge Rat einer französischen Frau, die schon alles gesehen hat: „Sie verlassen ihre Frauen nie, Sie müssen dafür sorgen, dass die Frau ihn verlässt. Egal, wie.“ Dieses „Egal, wie“ hängt in der Luft der Serie „Ein neuer Sommer“, die jetzt frisch bei Netflix abrufbar ist. Es ist eine meerwassergetränkte Luft, eher eine federleichte Brise.
Denn die Welt, in die uns die dänische Regisseurin Susanne Bier in der sechsteiligen Reihe mitnimmt, scheint auf den ersten Blick perfekt. Villa am Strand, lauter schöne Menschen, viele kalte Drinks, in denen die Eiswürfel klirren. Amelia steht kurz davor, in eine der reichsten Familien auf der schicken Atlantikinsel Nantucket einzuheiraten. An diesem Wochenende soll es so weit sein. Die dreistöckige Torte steht bereit, das Probeessen am Vorabend des Hochzeitstags verläuft feuchtfröhlich, die Geschenke der Gäste stapeln sich. Dann ertönt ein Schrei. Und Merritt ist tot.
Der Ausgangspunkt ist also eine klassische WhodunitKrimi-Konstellation. Merritts Leiche treibt am Morgen der Trauung im Wasser – who has done it? Wer hat es getan? Dieser Frage gehen in den sechs rund 50-minütigen Folgen der Polizeichef von Nantucket Dan Carter (Michael Beach) und die Ermittlerin Nikki Henry (Donna Lynne Champlin) nach.
Im Original heißt der Titel „The perfect Couple“, das perfekte Paar. Doch auch der deutsche Serienname „Ein neuer Sommer“ passt. Denn im Zentrum stehen besagter Vater des Bräutigams, Tag (Liev Schreiber), und dessen Frau Greer (Nicole Kidman). Oberflächlich betrachtet ein Traumpaar. Doch nach wenigen Szenen wird klar, dass der Sohn aus reicher Familie und die Bestsellerautorin eine, nun ja, etwas ungesunde Beziehung führen. Und dass in ihrem Haus in der Vergangenheit Dinge passiert sind, über die zu sprechen alle Beteiligten per Verschwiegenheitserklärung gehindert sind. Schwamm drüber, Jahr für Jahr auf in einen neuen Sommer.
Wie so oft spielt Kidman unnachahmlich die unterkühlte Perfektionistin, die alles im Griff zu haben scheint. Als immer mehr Geheimnisse ans Licht kommen, fragt man sich, ob wohl sie ihre perfekt manikürten Finger beim Tod der Geliebten ihres Mannes mit im Spiel hatte. Oder war es der Ehebrecher selbst? Auch er hätte, wie sich durch ein pikantes Detail zeigt, ein Motiv. Liev Schreiber spielt diesen saufenden Taugenichts mit zerknautschter Kuscheltiermiene überzeugend. Wie überhaupt alle Männer in dieser Serie im Grunde vom Leben überforderte Söhnchen sind, die als Jungs am Rockzipfel ihrer Mutter und nun an dem ihrer jeweils Angetrauten hängen.
Die Frauen ziehen hier die Fäden. Doch wohin führen ihre Marionettenspiele? Im Stile anderer Whodunit-Krimis spielt Bier Folge für Folge die Mordnacht aus der Perspektive eines anderen Protagonisten durch – und setzt immer neue Twists, lässt einen als Zuschauer bis zum Schluss im Ungewissen, wer es denn nun war, der Merritt zur Strecke brachte. „Keiner hier sagt die Wahrheit, alle lügen, andauernd“, sagt Amelia einmal. Und dass es die böse Schwiegermutter war, wäre ja eigentlich zu einfach – oder? Die formuliert es selbst treffend: „Was es so offensichtlich macht, macht es auch so unwahrscheinlich.“
Am Ende dann die Überraschung. Die man eigentlich hätte kommen sehen können. Dass man es nicht tat, spricht für einen geglückten Krimi. In herrlicher Kulisse voller Originaldrucke moderner Kunst, vom Nantucket-Stil inspirierter Einrichtung und schönster Sommermode. Da guckt man gerne hin.
KATJA KRAFT