Die zwei von „Unser Land“: Christine Schneider und Florian Kienast. © Leah Tanzer
Wo die Lebensmittel herkommen: der legendäre Reporter Günter Pletzer. © „Unser Land“ / BR
Günter Pletzer sitzt am Rand eines Schweinekobers irgendwo im ländlichen Idyll. Behaglich pelzt sich ein Ferkel auf seinem Schoß. „Des werd amoi koa BSE-Sau“, sagt der Mann mit dem Filzhut und krault liebevoll das putzige Tier. „Wenn der amoi groß is, dann werd des a wunderbar marmoriertes Fleisch!“ Ja, so war das noch in den Neunzigerjahren in der Sendung „Unser Land“: Man erfuhr ungeschminkt, woher die Lebensmittel stammten, und auch aktuelle Probleme in der Landwirtschaft kamen nicht zu kurz. Dass der Krankheitserreger BSE, vulgo „Rinderwahnsinn“, beim Schwein eher nichts zu suchen hatte, wusste Pletzer natürlich auch – aber der Witz war es ihm wert.
Der legendäre Reporter war allerdings ein Sonderfall, eine Mischung aus (ein wenig) Peter Lustig und (sehr viel) Karl Valentin. Der hagere Glatzkopf mit dem großen Mundwerk besuchte zwischen 1984 und 1998 in der Rubrik „Wochenmarkt“ Lebensmittelproduzenten und ließ sich deren Metier erklären. Nahm Metzger-Lehrburschen ins Weißwurst-Kreuzverhör, sprach mit einem Oberregierungschemierat über den Fruktose-Gehalt von Honig und erfragte von einer Müllerin alles über Mehl-Typen. Dabei legte er ein so gschertes komödiantisches Talent an den Tag, dass sich die Zuschauer auf den Sofas bogen („Grüß Gott Frau Dings!“ „Gründner heiß ich.“ „Macht ja nix“).
Nicht nur Pletzer sorgte mit seinen Reportage-Sketchen bis zu seiner Rente 1998 dafür, dass sich die Zuschauer des BR ganz zu Hause fühlen durften: Seit 60 Jahren gibt es „Unser Land“ jetzt schon – und immer noch schlägt hier das Herz der bayerischen Heimat. Das feiert der Sender morgen Abend mit einer Jubiläumsausgabe.
Ins Leben gerufen wurde die Sendung 1964 unter dem Titel „Für Hof und Garten“ von dem promovierten Diplomlandwirt und damaligen Landfunk-Redaktionsleiter Erich Geiersberger. 1973 in „Unser Land“ umbenannt, bestand die Zielgruppe in den ersten Jahren vorwiegend aus Landwirten, Hobbygärtnern und -köchinnen. Seitdem wurde die Optik immer wieder erneuert und modernisiert, das Spektrum erweitert. Heute steht die Auseinandersetzung mit kritischen Themen im Vordergrund: Wie werden Lebensmittel erzeugt? Wie werden Tiere gehalten? Wie arbeiten Landwirte in ihren Betrieben? Ist die Agrarpolitik mit ihren Rahmenbedingungen noch zeitgemäß? Warum protestieren die Bauern? Wie viel Platz braucht ein Schwein oder eine Kuh? Welchem Siegel auf der Fleischpackung kann ich trauen? „Unser Land“ ist das einzige Landwirtschaftsmagazin in der ARD und erreicht am frühen Freitagabend im Schnitt 14 Prozent der Fernsehzuschauer.
Die Liste der Moderatorinnen und Moderatoren von „Unser Land“ ist lang. Darunter waren Carolin Reiber, Uschi Dämmrich von Luttitz, Annette Betz, Erna Raps, Petra Kindhammer, Florian Schrei, Doris Fenske und Janina Nottensteiner. Seit 2018 moderiert Florian Kienast die Ratgeber-Sendung – Redakteurin ist seit 25 Jahren Christine Schneider, die selbst lange moderierte. „Wir legen großen Wert drauf, dass wir ein realistisches Bild zeigen, also nicht nur heile Welt oder Bilderbuchbauernhof, aber auch nicht Skandalberichterstattung“, sagt sie. „Heute machen wir keine Sendung mehr für Landwirte, sondern für Verbraucher. Wir berichten nicht für die Landwirte, sondern über Landwirte.“
In einer der jüngsten Ausgaben betrachteten die beiden alte „Wochenmarkt“-Folgen – verblüfft, wie hemdsärmelig Pletzer mit Verkäuferinnen umging. Am Viktualienmarkt waren seine Besuche gerne gesehen – aber auch berüchtigt: „So bled braucha‘s fei ned daherred‘n!“, schilt ihn ein resolutes Marktweib. In einer Metzgerei fällt ihm ein abgedecktes Wild-Karnickel auf, das noch Fell an den Hinterläufen hat. „Der hat ja d‘Schuah no o“, ruft Pletzer verblüfft. „Ja, den hat’s in da Friah so g‘frorn“, gibt der Metzger zurück.
„Das könnte man heute überhaupt nicht mehr senden“, sagt Kienast schmunzelnd. „Die Leute wären schon über die vielen toten Tiere entsetzt.“ Die Sendung habe sich wirklich sehr gewandelt, genau wie Bayerns Gesellschaft gibt ihm Schneider Recht. „Aber das war eben schon immer die Devise von ,Unser Land‘. Wir zeigen, wie Lebensmittel hergestellt werden. Und da gehört Schlachten halt dazu.“
JOHANNES LÖHR